Wasserburg ist geschichtsträchtig, das sieht man sofort. Genauer hinschauen ist ein absoluter Mehrwert.
Ich wollte für den nächsten Fall der Minnie mehr Hintergründe zur Symbolik wissen und habe dazu Spezialführungen im Wasserburger Heimatmuseum sowie in den Straßen der Stadt bekommen.
Betritt man ein Museum, erschlägt es einen meist zunächst, so viel gibt es zu sehen. Oft schlendert man durch die Räume und beachtet nur das, was auf den ersten Blick interessant scheint. Deswegen habe ich mir mit Ingrid Unger aus dem Heimatmuseum Wasserburg einen Profi an die Seite geholt.
In »Mords-Partie« findet ihr die Ergebnisse der Besichtung von vier Stockwerken in der Herrengasse, die ich unter dem Motto »Symbole« unternahm, knackig zusammengefasst, denn ein Regionalkrimi kann nicht seitenweise Museumsexponate und ihre Geschichte erklären.
Hier dagegen erzähle ich euch etwas mehr aus der Führung mit Bildern, weiter unten dann die Ergebnisse des informativen »Führungsspaziergangs« mit Geschichtenerzählerin Ilona Picha-Höberth, die ebenfalls sehr viel über Wasserburg weiß.
Beide Führungen haben mir viel mehr aus dem früheren Leben in der Stadt gezeigt, als ich für möglich gehalten hätte, mit spannenden Hintergründen. Ich werde ein Bild nie wieder so einfach wegen der Maltechnik oder Farbstimmung bewundern wie bisher, sondern genauer hinschauen. Und mal stehenbleiben, um den Blick die Fassaden hinaufwandern zu lassen.
Betritt ein Besucher das Erdgeschoss des Museums, könnte er schon dort einige Zeit verweilen, beispielsweise um die Kutschen zu bewundern. Im gleichen Raum vergeht einem die Bewunderung sogleich wieder, denn man erblickt die harte Realtität der alten Zeiten.
An der Wand hängen gruselige Metallschilder, die damals Verurteilte bloßstellten. Sie bekamen eine schwere viereckige Plakette um den Hals »Wegen Diebstahl«, »Gattin Mörder« oder auch »Ausgezeichneter Mörder«. Datenschutz und Privatsphäre oder irgendeine Art von Persönlichkeitsrecht, vor allem als Verbrecher, gab es nicht.
Frau Unger und ich stiegen in den ersten Stock, wo zahlreiche Bilder von Menschen, meist in dunklen Gewändern und ernsten Gesichtsausdruck, auf uns warteten.
Blumen, Obst, Schmuck waren für mich immer schmückendes Beiwerk, damit eben so ein Porträt nicht ganz so »fad« wirkt. Welche Bedeutung diese Gegenstände haben können, wurde mir jetzt erstmals bewusst, denn es handelt sich dabei um Symbole, die auch der Krimi-Minnie in »Mords-Partie« auffallen.
Bei den zahlreichen Mitgliedern einer Kaufmannsfamilie, die alle schwarz gekleidet sind, weiße Spitzenkrägen tragen und eine Rosenkranzkette in den gefalteten Händen halten, erkennt man bei dem einen oder der anderen beispielsweise zudem ein rotes Kreuz zwischen den Fingern.
So kennzeichnete man, dass diese Person mittlerweile verstorben ist. Birnen wiesen auf Kinderreichtum hin, Zitronen standen für Luxus, und zugleich besaß die dargestellte Dame angeblich die Tugend der Mäßigung. Tulpen ließen sehr wohlhabende Familien erkennen.
Die Tulpe sorgte übrigens als erstes Spekulationsgeschäft für große Pleiten. Ihr Wert steigerte sich, bis man vier Pferde und eine Kutsche gegen ein paar Zwiebeln eintauschen musste. Und wie so oft bei solchem Wahnsinn nahm auch die Tuliomanie, wie man das »Tulpenfieber« nannte, oft einen schicksalhaften Verlauf.
Wachs war ein weiteres hochwertiges Gut, allerdings von Dauer. Zehnmal so viel wert wie Fleisch wurde es für Figurenspenden in den Kirchen verwendet. Natürlich sind noch andere Kleinigkeiten abgebildet, oft recht unauffällig, aber doch aussagekräftig für den, der es weiß: Ringe und Wappen, Goldketten und teure Spitze – man zeigte eben, wie wichtig man war. Heute geht das über Social Media oder in Klatschmagazinen mit Bildern von Stars auf dem Roten Teppich oder der High Society-Angehörigen bei Spendengalas.
Es finden sich im Heimatmuseum auch Stammbäume alteingesessener Wasserburger Familien und jede Menge Märtyrerbilder.
Falls man wissen will, wer für den Glauben oder andere Menschen sein Leben gab: Irgendwo auf dem Bild ist vermutlich einen Palmzweig als Zeichen eingefügt.
Mich begeistern vor allem die Bilder von Wasserburg, die beispielsweise den Marienplatz zeigen, als dort noch Pferdekutschen unterwegs waren und Kinder spielten.
Heute heißt es flott sein, wenn man die Straße überqueren will, weil sich die meiste Zeit des Tages eine durchgehende Autoschlange durch die Altstadt zieht.
Es gibt Begriffserklärungen, die beispielswiese recht anschaulich klarmachen, woher die »Torschlusspanik« kommt. Teils bis ins 19. Jahrhundert musste man rechtzeitig abends in der Stadt sein, denn die Tore wurden nachts geschlossen, um »lichtscheues Gesindel« fernzuhalten.
Amüsant oder auch ein bisschen traurig ist der Gedanke, dass Sex damals nur im Dunklen stattfand, weil man bei Licht sofort die christlichen Symbole am Betthimmel erblickt hätte – ein kleiner Lustkiller quasi. Wie eine verheiratete Frau sich kleidete, sieht man entsprechend dem Spruch »unter die Haube kommen«, und es erklärt sich angesichts der Knopfketten, was »jemand etwas abknöpfen« bedeutet – das war einfach eine Zahlungsform, die man um den Hals trug.
Und dann gibt es da noch den Aberglauben, der so allerlei Auswirkungen, teils grausamer Art, hatte. Harmlos ist hier noch, dass man Spiegeln in Schranktüren einbaute, um böse Geister abzuschrecken. Diese sehen dann sich selbst und können nicht hinein.
Das Schratzlkreuz hält den schabernacktreibenden Haus- oder Waldschrat fern, alternativ kann man ein Schälchen Milch hinstellen, da der Schrat oft in seiner zweiten Gestalt, einer schwarzen Katze, auftaucht. Das Pentagramm oder auch Drudenfuß sollte die Druden abwehren.
Das ist eine dieser für mich beklemmenden Auswüchse in der Geschichte, wenn man sich wieder einmal einfacherer Menschen, oft junger Frauen, als »Schuldige« bediente. Denen, die sich meist nicht wehren konnten, sagte man böse Mächte nach. Angeblich kamen sie nachts in die Kammer und setzen sich auf die Brust des Schlafenden, bis er nicht mehr atmen konnte. Vermutlich war eher der fette Schweinsbraten schuld, der einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslöste.
Um die Druden fernzuhalten, zeichnete oder legte man ein Pentagramm vor die Tür. Die fünf Zacken des Sterns stehen eigentlich für die Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft und Geist.
In einem Glaskasten liegen Modelle für Backwerk sowie Schuhe. Dazu erfahre ich, dass der Schuh als phallisches Symbol galt: Es geht ja ums Hineinschlüpfen und umschlossen werden.
Den Kopf voller Eindrücke und aufkeimender Ideen kam ich an diesem Tag nach Hause.
Doch wie kann ich das alles in einer Minnie-Geschichte verarbeiten? Denn ich will nicht nur spannende Geschichte näherbringen, sondern auch amüsieren.
Außerdem ist Minnie ja nicht dauerhaft im Heimatmuseum tätig. Die Übertragung in den Alltag meiner flippigen Hobbyspürnase musste irgendwie machbar sein.
Um diese Infos also »Krimi-Minnie-tauglich« zu machen, marschierte ich mit Autorenkollegin und Geschichtenerzählerin Ilona Picha-Höberth bei windig-kaltem »Sauwetter« durch die Gassen der Stadt und staunte erneut. Was habe ich bisher alles übersehen – weil ich mich auf die Läden konzentrierte oder auf das stolperfreie Gehen auf dem Kopfsteinpflaster.
Märtyrer finden sich in der ganzen Stadt verteilt – nicht nur in den Kirchen. Auf dem Haus links vom Roten Turm sind eine Flussschifferszene und der Schutzpatron Sankt Nikolaus zu entdecken, in der Tränkgasse die Heiligen Florian und Sebastian, in der Lederer Zeile die Heiligen Madln in der Ledererzeile und – aus der ganz anderen Aberglauben-Ecke – Einhörner am Friedhof und ein Drache auf dem Dach.
Endlich springen mich jede Menge Ideen an, wie ich so etwas ins Buch einbauen kann.
Minnies schräge Nachbarin, die Kreuzpointnerin, hat beispielsweise einen guten Ratschlag für den fußkranken Polizeihauptkommissar a. D. parat.
Und was Minnie so erlebt, wenn sie durchs Brucktor marschiert, unter Jupiter, Mars und Hermes (siehe über den Fenstern im roten Bereich) hindurch, lässt euch hoffentlich ebenfalls schmunzeln.
Natürlich will ich euch vorrangig mit Spannung und Humor unterhalten, trotzdem kommen auch die geschichtsinteressierten Leser auf ihre Kosten.
Und vielleicht hat der ein oder andere nun Blut geleckt und schaut sich selbst mal im Museum um oder wirft einen Blick auf Hauswände oder Türen?
Aber bitte nicht übers Kopfsteinpflaster stolpern!
Mehr zum Buch findet ihr hier und natürlich habe ich noch eine Leseprobe für euch.
Viel Spaß
eure Moni
Eine kurze Leseprobe aus »Mords-Partie«: Minnie und Frau Kreuzpointner
»Mei, Minnie, und dann hab’ ich den Herrn Romberger getroffen. Der ist so schwer gehumpelt, der Arme.«
»Trotz der Krücken?«
»Welche Krücken?«, fragt sie erstaunt. »Er hat gsagt, die braucht er ned. Außerdem hab’ ich ihm geraten, für seinen Fuß zu beten. Der Heilige Sebastian hilft einem netten Mann wie dem Herrn Romberger bestimmt.«
»Ist der Sebastian ned der Schutzpatron gegen die Seuchen? Also vielleicht eher derjenige, den man bei der Grippe oder Corona anrufen sollte?«
»Ja, und für die Brunnen der Stadt ist er auch zuständig.«
Dass sich mir der Zusammenhang mit dem Gustl nicht erschließt, sieht sie mir wohl an und erklärt: »Da hat er kurz Rast gemacht, am Brunnen vor der Schranne.«
»Mit einem Kaffee und einer Butterbrezn vermutlich.«
»Freilich, sonst hätt’ er den weiten Weg heim ja nicht mehr geschafft. Offensichtlich bekommt er zu wenig Unterstützung.«
»Hat er das gesagt?«, erkundige ich mich erstaunt. Die Traudl hetzt ihm den Mars auf den Hals, falls er sich bei der Kreuzpointnerin als schlecht versorgt beklagt.
»Na na, das denk ich mir halt.«
Nachdem der Gustl meistens bei meiner Mutter residiert, die vielleicht vierhundert Meter entfernt wohnt, sehe ich die Butterbreze nicht unbedingt als lebensrettend an. Eher umgekehrt, wenn ich an die Butter und Gustls Bluthochdruck denke.
»Er bekommt viel Unterstützung, Frau Kreuzpointner. Und ich fände Krankengymnastik und Bewegung für den Herrn Romberger klüger. Aber er ist halt bockig.«
»Mei, er ist ein echter Mann.«
Ja, die sind gern bockig, da hat sie in ihrer Folgerung recht. Meine Folgerung bei dem Geruch nach Verbranntem dagegen empfiehlt, dass meine Unter-mir-Nachbarin wohl besser mal in der kreuzpointnerischen Wohnung nach dem Essen schaut.
Das rate ich ihr, doch sie winkt ab: »Bin fertig mit dem Essen, ist ja schon Viertel nach fünf. Mir ist bloß der Leberkas angebrannt. Der Herr Romberger hat mir erzählt, dass ihr wieder einen Fall habt – in Oberaudorf. Wer ist denn der Mörder von dem Flitscherl?«
»Wer sagt, dass die Tote ein Flitscherl war?« Der Gustl sicher nicht!
»Die Margarethe. Die hat eine Freundin in der Bäckerei dort, die kennt die Familie. Und die behauptet, dass sie glaubt, dass die Verflossene die Frau umgebracht hat. Um ihren Ex zu erlösen.«
Ich arbeite jetzt lieber an meiner Erlösung. Außerdem kommt gleich ein hungriger Alex heim.
»Ich würde sagen, wir warten mal ab, was die Rosenheimer Polizei rausfindet, oder? Einen schönen Abend, Frau Kreuzpointner.«
Da meine Nachbarin ebenfalls weiß, dass mein Freund bald auftauchen wird, lässt sie ihre Wohnungstür weiterhin offen – und ich meine.
Ich bin gespannt, wie schnell Alex das Bermuda-Dreieck im Mayrhofer-Haus durchqueren kann.
Er braucht exakt so lange, bis die Penne knackig angebraten sind. Dazu kredenze ich Gorgonzola-Sauce, Schwammerl und einen grünen Salat.
Schmunzelnd lausche ich, wie er versucht, sinnloses Gebrabbel und neugierige Fragen abzuwehren und das Gespräch zu beenden, ohne der wissensdurstigen alten Dame alles über Kundenkonten oder unser Liebesleben zu verraten.
Die Kreuzpointnerin ist schon sehr hartnäckig.
Schließlich tritt er mit Schweißtropfen auf der Stirn in die Küche und gibt mir einen zärtlichen Kuss.
»Minnie, du glaubst nicht, was ich auf mich nehme, um zu dir zu kommen.«
»Ich weiß es genau, o du mein Held. Aber man muss sagen, heut hat es gut gepasst: Auf die Kreuzpointnerin ist Verlass, wenn ich spät dran bin.«
Am 30. Juni ist es so weit: Dann findet ihr »Mords-Partie« in den Buchhandlungen und online.
Schreibt mir gerne, wie es euch gefällt. Ich bin sehr gespannt.
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