Was für wunderschöne Stunden
Ich habe frei, und draußen strahlt die Sonne ausnahmsweise mal hier über meinem Dorf. Dafür ist es in den Bergen so stark bewölkt, dass ich nicht weiß, ob es schlau ist, wenn ich dorthin fahre. Aber ich will endlich in den Schnee!
Vor zwei Wochen war es umgekehrt: zuhause viel Nebel (auf den Witz mit meinem Namen reagiere ich schon lange nicht mehr) mit einer Sichtweite bis über die halbe Wiese gegenüber, dafür auf dem Samerberg weiß-blauer Bayernhimmel mit dem Heuberg im Hintergrund. Ich suche eine Entscheidungshilfe im Internet: Erstaunlicherweise zeigt die Webcam in Sachrang Sonne, die Vorhersage behauptet, dass es so bleibt.
Ich überlege hin und her, spüle ab, schaue hinaus, räume auf, schaue hinaus, werfe die Wachmaschine an, schaue hinaus ... Denn ich weiß zwei Dinge genau: Bleibe ich zuhause und in den Bergen wird es schön, ärgere ich mich. Und fahre ich direkt ins Sauwetter und sehe dann in der Ferne den blauen Himmel über der Wasserburger Gegend, fühle ich mich kein bisschen besser.
Habe ich schon erwähnt, dass ich endlich in den Schnee will?
Also vertraue ich den Recherchen, lasse die Waschmaschine und den Ehemann mit Fußverletzung gemeinerweise zurück und packe meine Langlaufausrüstung ein.
Eigentlich war ich seit meiner frühen Kindheit ein eingefleischter Alpinfahrer, sprich rauf mit dem Lift, runter so flott es ging. Oder mit zunehmendem Alter und wachsender Vernunft mit immer schöneren Schwüngen.
Wenn man ewig vor dem Lifthäuserl ansteht, nachdem man sich mit der Parkplatzsuche bespaßt hat, genießt man das Abfahren lieber. Sonst steht man ja gleich wieder an.
Doch es werden immer mehr Menschen, die sich ins Getümmel stürzen, was ja gar nicht mein Ding ist. Laut Verkehrsfunk ist auch heute so: Stau am Seegatterl, Parkplätze überfüllt, das gleiche am Sudelfeld. Und diese Preise! Doch offensichtlich tut das keinem weh. Warum ich mich bei aller Liebe trotz dieser Nachteile nicht hoch hinauf befördern lasse, liegt allerdings an etwas anderem: Ich mag nicht skifahren, wenn eigentlich kein Schnee da ist und nur die Schneekanonen es ermöglichen. Und durch die Summe dieser Gründe ist mir das Langlaufen näher gerückt. Anstrengend ist beides, ja, auch das Bergabrasen.
In manchen Wintern habe ich Glück und ich kann von der Haustür aus starten oder finde eine Loipe bei Bad Endorf oder auf der anderen Innseite. Oder es geht doch einmal hoch hinauf über Kössen. Und in manchen Wintern klappt es halt einmal nicht.
Da gibt es Wichtigeres, über das sich das Aufregen lohnt: Alumarkerl auf dem Bioobst, Shitstorms in Politikertwitteraccounts – bei denen ich mich frage, warum manche Menschen keinerlei Hemmungen haben, sich derart bösartig zu outen, oder Verschwörungssprüche auf Plakaten, die Impfgegner an diesem Samstag den Autofahrern entlang der Priener Hauptstraße entgegenhalten (die Mutmachsprüche finde ich okay).
Als ich durch Bernau fahre, ahne ich schon, dass ich heute Glück habe: Hinter dem Schloss Hohenaschau reißt die Wolkendecke direkt über dem Priental auf.
Ein kleiner Wehrmutstropfen sind die völlig überfüllten Parkplätze auch hier, das war früher an einem Samstag kein Problem. Aber Corona hat vieles verändert, vor allem für uns Bayern, wenn Österreich beispielsweise gerade einen Lockdown hat. Viel mehr Menschen haben Deutschland als Urlaubsland entdeckt – völlig zu recht, ob Norden, Mitte oder Süden, unser Land ist wunderschön. Und doch habe ich das Gefühl, wir werden hier im Chiemgau überrannt.
Nach mehreren Versuchen, eine Parklücke zu entdecken, habe ich Glück, und stehe gleich darauf auf der Loipe.
Jedes erste Mal im Winter fühle ich mich zunächst etwas wacklig auf den Langlaufskiern. Das kannte ich so in den festen Skischuhen auf meinen Carvern nicht. Ich fühle mich wie ein völliger Anfänger. Langsam und vorsichtig geht es los, lass mich bitte keinen Abhang am Anfang überwinden müssen! Denn Hinfallen kann auch auf einer harten Loipe wehtun. Manchmal mehr, als wenn es einen mit deutlich höherem Tempo im Pulverschnee zerlegt. Außerdem trage ich am Berg einen Helm.
Aber dann bin ich warmgelaufen, der Schnee ist fantastisch, und die Menschen verteilen sich. Es hat sich rentiert – was für schöne Stunden!
Ich wünsche uns allen einen schönen Restwinter mit (nicht zu viel) Schnee und jeder Menge Sonnenstrahlen statt der tristen Nebelsuppn,
bleibt’s aufrecht, egal auf welchen Brettln
Eure Moni