Krimi-Schreibgen auf der Suche nach Sicherheitslücken – vor Kurzem war ich am Münchner Flughafen bei der Konzernsicherheit
Was wäre, wenn ...? Das war wohl der häufigste Fragebeginn, die die zwei Mitarbeiter der Konzernsicherheit der FMG (Flughafen München GmbH) den zwölf Mörderischen Schwestern bei ihrem Besuchstag geduldig und manchmal grinsend beantworteten.
Auch wenn unser Job als Krimi-Autorinnen es uns durchaus anerkennen lässt, was alles für die Sicherheit am Münchner Flughafen getan wird, sind wir dennoch für unsere Plots immer auf der Suche nach einer Lücke, die ein Übeltäter nutzen könnte. 😉
Natürlich erzähle ich hier nicht alles aus dem Nähkästchen, was wir in ungeheurer Menge erfahren durften, denn manches könnt ihr sicher in dem ein oder anderen Krimi der Mörderischen Schwestern erfahren. Das Interessanteste habe ich für euch zusammengefasst.
Die Mörderischen Schwestern sind ein Verband von umtriebigen Krimiautorinnen, die sich nicht nur zu Lesungen (Ladies Crime Night) und Online-Seminaren treffen, sondern auch zu Präsenz-Fortbildungen wie das bei der Konzernsicherheit der FMG am Münchner Flughafen (kurz KS) Ende Mai. Das Wetter war unterirdisch – kalt und regnerisch – daher sind auch die Bilder leider durch Regentropfen und Dauergrau getrübt.
Anreise schwer gemacht
Dass ich es trotz der öffentlichen Verkehrsmittel gerade noch in letzter Sekunde geschafft habe, an der Spezial-Busfahrt über das Flughafengelände teilzunehmen, lag nicht an dem alles andere als strukturierten und informativen Umgang des MVV mit Fahrplanänderungen. Drei verschiedene Auskünfte (Online, per Durchsage und auf der Infotafel) änderten nichts daran, dass ich über eine dreiviertel Stunde zitternd am Leuchtenbergring stand, wo mich weder mein heißer Tee noch das freiwillige Trepp-rauf-Trepp-runter erwärmen konnten.
Die Autorinnen (ein paar standen noch länger irgendwo im MVV-Netz) und Referent Martin und sowie Christine vom Streifendienst der Konzernsicherheit trafen sich auf der MAC-Freifläche. Wir Autorinnen erhielten unsere Besucherausweise und stiegen in einen Bus, der uns bei einer Rundfahrt die Ausmaße des Flughafens deutlich machte.
Neben den Flächen, die man als Passagier sieht, zwischen den Terminals, den Zusteigemöglichkeiten außerhalb der »Finger« (Passagierbrücke in den Flieger), den Start- und Landebahnen oder den Parkhäusern gibt es so viel mehr. Manches natürlich gut gesichert, wie die ungeheure Grenzlänge teils mit speziellen Schutzzäunen – denn es gibt ja Demonstranten, die nicht nur mit Klebstoff, sondern auch mit Drahtschere anrücken. Insgesamt reden wir von 42 Kilometer Zaun. Wir sahen auf der Rundfahrt auch den Bereich für Staatsempfänge mit vielen Fahnenmasten und jeder Menge Platz für Privatflieger aus dem ein oder anderen Königshaus. Es gibt zwei Feuerwehren auf dem Gelände, die jeweils in 180 Sekunden ab Alarmgebung an jedem Punkt sein können, wo ein Flieger rollt.
Natürlich wurden wir vor dem Eintreten in sensiblere Bereiche gescannt. Jetzt weiß ich auch, warum man im Terminal 2 sein Getränk nicht vor der Kontrolle abgeben muss. Hier ist schon neue Technik verbaut, die auch im Terminal 1 nachgezogen werden soll. Nur wenige Personen werden übrigens nicht überprüft, da Staatsbesuch und hohe Amtsträger oder Firmenchefs mit Bodyguards anrücken und vorab angekündigt werden.
Wir passierten eine ehemalige Simulationsprüfanlage, in dem das Verhalten in einer Anschlagssituation getestet und geprobt werden kann. In den Wartungshallen werden die Checks der Maschinen durchgeführt, je nach den Flugstunden der Maschine bis hin zum kompletten Ausbau der Stuhlreihen. Im Komplex »Gebäudesicherheit« gibt es viel rund um die Technik wie unterirdische Kerosintanks, Rasenmäher, Heizkraftwerk (autark) und Autoreparatur oder Recycling (bspw. von Enteisungsmittel).
Beeindruckende Zahlen und Abläufe in der Kleinstadt Flughafen München (von Martin genannt):
Der Flughafen München ist wie eine nicht allzu kleine Stadt auf über 16 Quadratkilometer, davon mehr als die Hälfte ist Grünfläche. Hier arbeiten 35.000 Menschen (einige Gärtner ;) ) von der FMG und externen Firmen. Es gibt eine Klinik, einen Kindergarten, die Feuerwehren, eine Kühlkammer für Leichen, die als Zwischenlager für Personen dient, die am Flughafen verstorben sind, Vereine und eine Brauerei. Man kann sogar hier heiraten. Ein eigener Ermittlungsdienst bearbeitet etwa 210 Vorfälle pro Jahr, darunter Geldwäsche, Diebstahl, Brandstiftung, Verfassungsfeindlichkeit oder Verstoß gegen das BtMG.
Beschwerden, Fahrerflucht und Bedrohungen. Einen Mord gab es am Flughafen nicht, aber eine Leiche in einem Kofferraum wurde entdeckt.
37 Mio. Passagiere waren am Münchner Flughafen in 2023, 310.000 Starts und Landungen pro Jahr fanden statt. Jeder Flieger ist zu 80% ausgelastet, Tendenz steigend vor allem außerhalb Deutschlands.
Es gibt einen Cargobereich, wo Luftfracht auf Paletten vorbereitet wird.
Spezielle Orga-Teams kümmern sich um Privatbesuche von Staatsoberhäuptern, schon mal mehrere Flugzeuge des Sultans vom Oman angerückt sind und eines davon Shuttledienste nach London fliegen musste.
Und es gibt ein ganz besonderes Monitoring der Luftverschmutzung durch elf Bienenvölker, deren Honig auf Schadstoffe untersucht wird.
Eine Tierärztin ist auf Abruf. Sie kommt, wenn es den Koi-Karpfen in zu warmem Wasser nicht mehr gut geht, oder kontrolliert die Versorgung und Kühlung der Container mit Kükenpaletten. (Kein Kommentar der Pescetarier-Autorin!)
Nach der Rundfahrt ging es weiter in einen Tagesraum der Konzernsicherheit, wo wir Infos in einer Präsentation erhielten und unsere Fragen stellen durften.
Sicherheit von A wie Ausbildung bis Z wie Zollkontrolle
Die FMG hat 9400 Beschäftigte, 111 Ausbildungsberufe bzw. Studiengänge und Mitarbeiter aus 100 Nationen.
Eine Schichtgruppe der Konzernsicherheit besteht aus sechs Mitarbeitern in der Leitstelle und acht Streifendienstmitarbeitern. Einfühlungsvermögen und Instinkt sind in vielen Situationen gefragt, das kann situationsbedingt empathisch oder durchgreifend bedeuten. Die Leitstelle entscheidet nach Benachrichtigung, wer wohin geschickt wird. Es gilt, Probleme zu lösen oder die Zuständigen zu informieren.
Eine Streetworkerin kümmert sich neben den abgeschobenen Menschen, die in einem speziellen Gebäude auf ihre Flüge warten müssen, auch um die Obdachlosen. Manche haben schlechte Erfahrungen in Einrichtungen gemacht oder können nicht allein sein. Aggressive Menschen müssen den Flughafen notfalls mithilfe der Polizei verlassen, die anderen werden geduldet: »Man kennt sich«, so Christine. Sie fühlen sich am Flughafen sicher, was ich sehr schön finde. Und so gibt es ein Kleiderkammerl für die Bedürftigen, die mit dem »Wohnort« Flughafen zudem über eine ladungsfähige Anschrift verfügen.
Neben der KS sind für Security und Sicherheit auch zuständig: Landespolizei, Bundespolizei, Sicherheitsgesellschaft SGM und Zoll, insgesamt rund 4760 Leute.
Die Mitarbeiter der KS selbst durchlaufen regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfungen, da ihre Möglichkeiten für Verbrechensbegehen natürlich weitreichend wären, darunter Tankdiebstahl oder der Weiterverkauf der teuren Dienstkleidung (Spezialschuhe).
Es gibt drei Hundestaffeln (Konzernsicherheit, Polizei, Zoll) mit Sprengstoffspürhunden und Drogenspürhunden. Mantrailer-Hunde sind von externen Hundestaffeln, die zum Training an den Flughafen kommen und dabei Fährten-Suche trainieren, um im Einsatz vermisste oder ab gängige Menschen finden zu können. Dann gibt es Sprengstoffsuchhunde (Passivmelder, legen sich nur hin, der Koffer darf nicht bewegt werden) und Drogensuchhunde (geben Meldung mit Bellen oder Kratzen).
Was beschäftigt die Sicherheit und Security am Flughafen?
- Bedrohungen durch Drohnen oder mögliche Sprengstoffattentate
- Die Cyberforensik und -security muss jeden Tag Angriffe abwehren.
- Menschenhandel/Zwangsarbeiter, -prostituierte
- Organisierte Flaschensammler kommen mit Bussen und reißen sich um die Abfallbehälter.
- Geburten und Sterbefälle, denn Menschen aus der ganzen Welt bringen ihre Probleme oder auch die Kriminalität mit.
- Gefahr durch große Vögel /Schwärme: Das Wildlife-Managment (Flughafen-Jäger) beobachtet und kann notfalls auch mit einer Signalpistole einen Schwarm vom Kurs auf Triebwerke abbringen.
- Die Bundespolizei hat zudem einen sensiblen Blick auf Kinder, die nur mit einem Elternteil reisen.
- Krankheitsbedingte Animationen mehrmals pro Woche, bei 250.000 Leuten täglich am Flughafen kein Wunder.
Positiv: Es gibt keine Drogenszene, auch Cannabis ist am Flughafen nicht erlaubt.
Gefahr an Bord:
Auch Air Marshals (Flugsicherheitsbegleiter) sorgen für Sicherheit. Das sind speziell ausgebildete Bundespolizisten, die wissen, wie man eine Waffe in einem Flugzeug verwenden darf und die Handgemenge in engen Räumen beenden können. Den Air Marshal beauftragt die Airline in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium, das betrifft Hochrisikoflüge beispielsweise aus Drogenanbaugebieten wie Kolumbien oder vermutete Schleuserflüge.
Kuriose Anekdoten von lustig über spannend bis schockierend aus dem Alltag der Konzernsicherheit:
- Ein Mann überwand einen vier Meter hohen Zaun, weil er die Haltestelle für den Bus nach München dahinter vermutete. Es war jedoch ein Vorfeldbus für den Transport der Flugpassagiere.
- Ein Terminal musste zum Teil geräumt werden, weil jemand die Tür des Notausgangs mit der Toilettentür verwechselt hatte.
- Ein Junggesellenabschied brauchte mehrere Anläufe mit Ticketkauf, weil die Crew die Herren nicht an Bord lassen konnte, da zu besoffen! (Die KS entfernt nicht zum Flug zugelassene Menschen.)
- Ein Vogel löste einen Alarm in der Wartungshalle aus.
- Ein Obdachloser trocknete seine Unterhosen vor einem Lüftungsrohr. Die Streetworkerin versorgte ihn mit Ersatzkleidung.
- Ein streitendes Paar musste getrennt werden, die recht kleine Frau und der deutlich größere Mann attackierten einander schonungslos.
- Eine Frau reiste mit dem Schädel und den Knochen des toten Ehemanns in einer Kiste
- Eine Gehörlose verlor ihren Autoschlüssel in der Toilettenschüssel. Ein Dolmetscher wurde gefunden und für die Dame die Heimfahrt organisiert.
- Ein Skateboarder nutzte die leeren Gänge bei Nacht und hielt die Streife auf Trab.
- Mit Film belegt: Ein seriös wirkender Mann in Anzug und mit Koffer baut eine Schranke im Parkhaus ab und lädt sie in einen bereitstehenden Lieferwagen.
- Ein Mann mit Koffer erscheint täglich. Die Überprüfung zeigt: Der Koffer ist leer, der Mann braucht viele Menschen um sich herum.
- Die Nachtstreife entdeckt auf dem Außengelände ein Lager mit gesammelten Leergutflaschen. Dieses wird von einem Mann, der sich in einen Teppich eingerollt hat, bewacht. Sein Ausrollen erschreckt die Beamten fast zu Tode.
Und ganz traurig: Es gibt etwa zwölf Selbstmorde pro Jahr auf dem Flughafengelände, das im Ranking der erfolgreichen Locations zur Selbsttötung leider gut dabei ist. Bitte wählt nicht diesen Weg, sondern lasst euch von empathischen und erfahrenen Menschen helfen, die es beispielsweise hier gibt: www.krisendienste.bayern.
Christine erzählt uns noch, dass sie nahe an der Fähigkeit eines bestätigten Super-Recognizers ist, sie kann an einem winzigen Gesichtsausschnitt Leute wiedererkennen, sehr praktisch beispielsweise, wenn Taschendiebe umgehen.
Das Sicherheitspersonal muss einiges aushalten können, wenn es beispielsweise einen bereits seit Tagen im Halteverbot parkenden Lkw kontrolliert und im Fahrerhaus den verstorbenen Fahrer entdeckt.
Bei dem Zugunglück von Eschede gab es danach noch eine hohe Zahl an Selbstmorden unter dem Personal. Tipps von Christine aus einer Schulung: Darüber reden ist wichtig. Und bei Extremvorkommnissen sollte man versuchen, nicht zu sehen, zu hören oder zu riechen, dann belastet es nicht so stark. Sie schränkt grinsend ein: »Bei einer Reanimation musst du halt doch hinschauen.«
Das waren jetzt viele Infos, und trotzdem nur habt ihr nur einen kleiner Ausschnitt des spannenden Tages bekommen. Was sich die eine oder andere der Teilnehmerinnen an Kriminalfällen vorstellen kann, war anhand der sehr speziellen Fragen zu erkennen, die Martin und Christine manchmal den Kopf schütteln ließen oder Heiterkeit auslösten.
»Was wäre wenn ...?«
So ticken wir eben, wir Mörderischen Schwestern!
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