Mein Wienbesuch war trotz fatalem Irrtum ein »Stairway to heaven«.

Kennt ihr den wunderschönen Song von Led Zeppelin? Dieser kam mir in den Sinn, als ich die Ausstellung in der St.-Michaels-Kirche in Wien betrachtete.

wien 8Eine Treppe aus Büchern – es handelt sich hier natürlich um alle möglichen Druckvariationen der Bibel – faszinierend besonders für eine Autorin.

Aus reinem Zufall steuerten meine Mutter und ich diese Kirche im Vorbeigehen an und waren sowohl von der Skulptur von Jochen Höller »Stairway to Heaven« fasziniert als auch von dem Fastentuch zum Menschenhandel von Zhanina Marinova.

Pater Rauch, der Pfarrer der St.-Michael-Kirche, erklärt auf der Kirchen-Website, warum dort zu Ostern ein Thema wie Menschenhandel thematisiert wird: »...Künstler greifen ein Thema auf und stellen es in einen sakralen Raum, der von vielen Menschen besucht wird, um Ruhe, Entspannung und Zeit für ein Gebet zu finden. Wird diese Sehnsucht gestört, wenn plötzlich aufgerüttelt wird?...« Und »...Wir dürfen unseren Glauben nicht mit einer religiösen Kuschelecke verwechseln.« Beeindruckende Gedanken, finde ich, die ich hier einfach mal so stehen lasse – mich haben beide Kunstwerke in den Bann gezogen, ebenso wie der Gedanke des unbequemen Aufrüttelns.

Zwei Tage Wien, es war mein fünfter Besuch in dieser imposanten Stadt mit den liebenswerten Menschen. Höflichkeit, Charme und Hilfeleistungen, ob erbeten oder nicht, lassen die Wiener einem Besucher gerne zukommen. Ich gebe zu, ich liebe darüber hinaus auch den Dialekt.

Der ältere Herr, der mir Jüngeren in der Straßenbahn den Koffer hinaufreicht – die Dame, die sich mit meiner Tochter über die Rosenheim Cops unterhält – der betrunkene Kettenraucher auf der Bank vor dem Stephansdom, der meiner Mutter seine Lieblingsserie aus den Neunzigern ans Herz legt – der junge Mann hinter mir in der Subway-Schlange, der mir das Procedere der Auswahl erklärt – einfach reizend, jeder auf seine Art.

Wir reisen am Mittwochmittag an, klettern in die Straßenbahn zum Hotel (zunächst in der falschen Richtung – allein deshalb rentieren sich die Wien-Kernzone-2-Tages-Tickets) – und freuen uns über ein großes Familienzimmer im Arte Hotel. Gleich um die Ecke befindet sich die Festhalle, in der »Die Schöne und das Biest« am Abend gegeben wird. Einer der beiden Hauptgründe für unseren Frauenausflug.

Der zweite Grund? Natürlich die Stadt anschauen. Im eisigen Wind durchqueren wir die noch farblosen Gärten von Schloss Schönbrunn und steigen hinauf zur Gloriette.

wien 2Im wärmeren Mai zwischen Tulpen und Co. ist es hier selbstverständlich schöner. Fotos ohne im Weg stehende Touristen wird man dann aber nur schwer bekommen, außerdem hat die Lichtstimmung doch einen gewissen Reiz, nicht wahr?

Auf dem Ostermarkt gibt es viele künstlerisch hochwertige Dekorationsartikel, ich habe bisher nie so schöne Pappmaché-Eier gesehen und auch noch kein Hühnchen auf Stelzen am Zügel. Sehr originell lässt das junge Mädchen im Kostüm Kinderaugen strahlen!

wien 1Zurück im Hotel hübschen wir uns auf, genießen in der Nähe ein asiatisches Büffet mit einem leckeren, scharfen Chinakohl-Karotten-Salat – das Rezept brauche ich unbedingt.

Dann geht es voller Freude zum Musical. Seltsam kommt es uns allerdings vor, dass im Gegensatz zu »Starlight Express« und Co. keine Poster im Disney-Style als Deko herumhängen, vor denen wir unser übliches Wir-waren-hier-Foto schießen können.

Das tatsächliche Ausmaß meines Irrtums wird uns bewusst, als wir nach dem dritten Song erkennen, dass es sich um eine gänzlich andere Produktion handelt. Ohne die Songs und Künstler schlecht zu reden: Wenn man auf »Beauty and the Beast« oder »Sei unser Gast« wartet und diese wunderschönen Lieder kommen einfach nicht, ist es unglaublich enttäuschend. Die Geschichte selbst wurde ebenfalls verändert, und manche Szene erinnerte an ein Bauerntheater (Gustav – statt Gaston säuft Bier), Cinderella (dank zweier böser Schwestern – schrill zum Ohren-zu-halten) oder Wickie (aufgrund der eindeutigen Handbewegung). Aber wir hielten durch wegen einer überragend singenden Hauptdarstellerin und einiger netter Melodien wie »Welt der Farben«. Meiner Mutter, die das Original nicht kennt, gefällt es bis auf die Lautstärke übrigens gut.

Wie konnte mir so ein Irrtum passieren? Meine Töchter versuchten, es nachzuvollziehen: Man wird von der Disney-Seite über die Termine, wo ich mir einen für uns passenden in Wien aussuchte, auf diese andere Produktion geleitet. Die Preise waren die gleichen (teuren) und die Disney-Version folgt dafür im Herbst, wenn wir keine Zeit haben, seufz. Dann schauen wir uns eben zuhause die DVD mit Emma Watson noch einmal an – sehr gerne übrigens, sie ist wunderschön!

Wir betäuben den Frust in der Hotelbar (Achtung: Aus »Cidre« wird in Wien schnell »Seidel«-Bier) und reden uns den Abend schön. Das beherrschen wir hervorragend, und es gibt ja wirklich Schlimmeres auf der Welt (s. oben Menschenhandel). Alles gut – Ärger vorbei!

Am nächsten Morgen starten wir die große Tour: Koffer zum Hauptbahnhof bringen und deponieren, sodass wir lastenfrei unterwegs sind. Wir passieren mit der Trambahn sämtliche beeindruckende Gebäude der Stadt, eine Stadtrundfahrt ist nicht nötig.

wien 3Außerdem höre ich später von einer Kollegin, dass man dabei weniger über Wiens Geschichte und Gebäude, dafür mehr über Bäume und sozialen Wohnungsbau erfährt. In der Sonne auf der Parkbank sitzend lesen wir uns gegenseitig die Infos aus dem Wien-Führer vor und bilden uns selbstständig.

Das Hundertwasser-Haus, bzw. das »Village«-Shop-Center gegenüber, finden wir top. Sicher hat man das Village neben den Verdienstmöglichkeiten auch wegen der enttäuschten Touristen gestaltet, die aus verständlichen Mieterschutz-Gründen nicht in die vermieteten Wohnungen gucken dürfen.

wien 5Nach dem fragwürdigen Genuss eines Putenburgers (esse ich normalerweise nicht – und was war da so Hartes drin – ein Stück Zahn oder ein Stein?) geht es zurück mit der Tram bis zum Volksgarten. Vorbei an einem Hundespielplatz und der Hofburg durchqueren wir den ersten Innenhof – fast, denn jetzt streikt die Oma: Hier wird Café getrunken, koste es, was es wolle. Es ist ja eine Ausnahme. Meine Mädels sind eher von den Kellnern im feinen Anzug fasziniert und ich versuche, die Pferdekutschen hinter der Osterdeko zu fotografieren. Das ist nicht einfach, entweder sind sie zu schnell, ich zu langsam, oder ein Herr stellt sich wichtig telefonierend in Szene, weil er mit aufs Bild will.

wien 6Frisch gestärkt durch Topfenknödel mit Beeren und Apfelstrudel (geteilt durch zwei, weil ausgesprochen teuer) spazieren wir weiter und kommen endlich an den »Graben«, der Shopping-Avenue für die Reichen. Bald ist der Stephansdom erreicht und meine Töchter shoppen im Schlaraffenland für die Normalfrau: im dm. 😄
Unglaublich, welche schönheitsfördernden Produkte es gibt: Ein Make-Up-Ei habe ich vorher nie gesehen – braucht man das wirklich? An solchen Dingen renne ich sonst immer blind vorbei – aber die Jugend klärt mich auf. Again what learned – frei nach »Loddar« Matthäus.

Jetzt haben wir tatsächlich Zeit, uns in die Sonne vor den Dom zu setzen und die Menschen zu beobachten, bevor wir uns Richtung Bahnhof aufmachen.

Das Resümee unserer ereignisreichen Reise:
- 10 Kilometer pro Tag gehen (laut Handy-App) reicht – die tapfere, fast 80-jährige Oma hat sich davon nicht kleinkriegen lassen.
- Bei der nächsten Musicalbuchung den Komponisten schriftlich bestätigen lassen.
- Kein Putenburger mehr aus dem Schnellimbiss!
- Und last but not least: Wien ist immer noch eine Reise wert!

Eure Katie

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Leseprobe aus »Tausche Traummann gegen Liebe«  (denn ich beschreibe gerne Orte):

Montréal ist gewissermaßen eine geteilte Stadt. Zwei Drittel der zweitgrößten Stadt Kanadas sind frankophon, also französischsprachig. Das Zentrum mit dem Hauptteil an Wirtschaft und Finanzen ist anglophon, englischsprachig. Die »Joie de vivre« geht jedoch sicher auf das französische Kulturgut zurück.
Sammys Arbeitsplatz, der Coursier de Montréal, war nicht weit von ihrer Wohnung direkt am Square Dorchester, einem kleinen Park, gelegen. Sammy nahm sich wegen des hohen Verkehrsaufkommens fest vor, im Sommer hauptsächlich das Fahrrad und im Winter die Métro auf dem Weg zur Arbeit zu nutzen. Aufgrund der eisigen Temperaturen im Winter war in Montréal in der Umgebung der Métro eine unterirdische Stadt, die Ville Souterraine, entstanden. So kann man, ohne in die klirrende Kälte zu müssen, einem Einkaufsbummel oder anderen Vergnügungen nachgehen.
Das Quartier Latin, in der Nähe von Sammys Appartementhaus ist ein typisch französisches Caféviertel, auf welches Sammy sich schon sehr gefreut hatte. Sie liebte es, durch die Altstadt zu schlendern, vorbei an den kleinen Straßencafés.
Auch der Aussichtspunkt auf dem Mont Royal, dem Mittelpunkt der Inselstadt, hatte es ihr sehr angetan. Von dort aus konnte man nicht nur die gesamte Stadt überblicken, sondern auch einen Eindruck vom Umland bekommen.
»Die Natur gleich neben der Haustür, wie ich es in Kingston hatte, wird mir fehlen. Es ist schon eine gewaltige Umstellung, hier mitten in die Stadt zu ziehen. Aber von dort oben kann ich wenigstens das Grün rundherum sehen.«, jammerte Sammy ein bisschen, während sie die aufgeschäumte Milch in ihrem Cappuccino unterrührte.
Jeannie seufzte: »Also, weißt du, ich finde diese Stadt ja grandios und du wirst dich als Französin ja sowieso leicht tun. Aber ich kann es mir einfach noch nicht vorstellen! Unsere gemeinsame Zeit soll nun wirklich zu Ende sein? Was wird aus dem Häuschen in Kingston? Muss ich eigentlich ausziehen? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, weil es mir immer so unwahrscheinlich schien, dass du wirklich gehst!«
Sammy schwieg und trank erst einmal einen Schluck. Die Tränen saßen so locker, dass sie fürchtete, keine Gewalt mehr über ihre Stimme zu haben. Nach einiger Zeit sagte sie leise: »Bleib in dem Haus, Jeannie! Ich brauche nur die Miete, die ich hier zahlen muss, von dir. Aber du hast ja dann das ganze Haus, wenn Dan auch weg ist. Du kannst dir ja einen Untermieter nehmen, wenn es dir zu teuer ist. Mir wäre auch der Gedanke furchtbar, dass keiner von uns mehr da ist. Es ist doch eine Anlaufstelle, wo wir uns wieder treffen können.«
Jeannie nickte. Dann fingen doch beide an, leise vor sich hin zu weinen. Als sie merkten, dass sie von den Nachbartischen befremdet angesehen wurden, kam der gewohnte Humor doch wieder durch und sie begannen, noch mit Tränen in den Augen, zu kichern.
Dann fiel Jeannie plötzlich etwas ganz anderes ein: »Weißt du eigentlich, dass du nur zehn Minuten von Larry entfernt wohnst? Wir sind vorhin an seinem kleinen Häuschen vorbeigekommen.«
»Ja, stimmt. Das ist wirklich ein Lichtblick für mich!«
»Am 1. August fängt er als stellvertretender Staatsanwalt an! Ist doch Wahnsinn, wie schnell alles geht, wenn man so klasse Noten hat.«
»Na ja, er hat ja auch dafür arbeiten müssen. Die guten Noten haben ja nicht ›Larry, wo bist du‹ gebrüllt«, sagte Sammy mit tadelndem Unterton.
»Ja, da hast du sicher recht, aber er macht immer den Eindruck, als ginge ihm alles sehr leicht von der Hand.«
Die Freundinnen schwiegen wieder, schwelgten in Erinnerungen.
»Wirst du mich am Wochenende mal ab und zu besuchen, Jeannie?«
»Natürlich, ich weiß ja gar nicht, was ich demnächst ohne dich an den Wochenenden machen soll!«
Das war nun so weit hergeholt und so pathetisch vorgebracht, dass beide Mädchen wieder zu prusten begannen. Nachdem Jeannie jeden Abend ausging, war an den Wochenenden sowieso oft kein Programm möglich. Denn diese waren mit Ausschlafen meist gänzlich vertan.
Sie zahlten, weil sie schon genug aufgefallen waren und fuhren langsam nach Kingston zurück.

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