Der Bodensee-Reiseblog
Geschichte, blühende und rankende Natur und – mmmh – Wein! Sowie viel Input für eine Fantasy-Autorin.
Der Bodensee: Seit Jahren wollen wir dorthin, immer fällt es uns erst im Sommer ein, wenn es a) zu heiß ist und b) zuhause bautechnisches zu tun gibt.
Wir gehören zu den Freaks, die an ihrem Haus so viel wie möglich selbst gestalten. Terrassenbögen und Treppen betonieren, Wände und Mauervorsprünge mit Mosaik verzieren, bepflanzen usw. Das bringt neben Spaß natürlich Arbeit und braucht Zeit.
Aber 2018 haben wir es geschafft. Ganz kurzfristig gebucht bekommen wir das letzte freie Zimmer im Elfenhotel in Kippenhausen (Nähe Immenstaad). Fantasyautorin merke auf!
Bei der Hinfahrt rasten wir im Hinterland auf einem Hügel mit Aussicht auf das wunderschöne satte Frühlingsgrün der Umgebung. Die Spannung auf die Weinberggegend wächst, bisher ist nichts davon zu erkennen, obwohl es nur noch zehn Kilometer bis zum Ziel sind. Fachwerkhäuser tauchen allerdings so nach und nach auf.
Dann fahren wir über die vorletzte Erhebung vor dem See und müssen auf der Stelle anhalten, um das Panorama zu fotografieren. Seit ich auf meiner Website über meine Reisen berichte, gibt es viele Motive oft im Doppelpack. Aber ich sehe die Landschaft oft aus einem anderen Blickwinkel wie mein Mann, was verhindert, dass es zuviel doppelt gibt. Meinen Fotografen interessieren zudem Elfen im Garten und Dekoration nicht so sehr.
Nach einigen Minuten erreichen wir das Elfenhotel, und ich möchte mich eigentlich sofort im Vorgarten an den Mosaiktisch setzen. Stattdessen melden wir uns zunächst an und bekommen tolle Ratschläge für die restliche Tagesplanung.
Am Spätnachmittag kompensieren wir die Autositzerei dann mit einer laaaangen Walking-Runde. Am Anfang ist es allerdings eher eine Standing-Runde, weil wir ständig Handyfotos machen müssen. Über uns kreist ein schwarzer Milan, wir befinden uns in einem Vogelschutzgebiet.
Durch die Weinberge gehen wir hinunter an den See bis nach Hagnau, an der Seepromenade entlang zurück nach Immenstaad und wieder hinauf nach Kippenhausen.
Wir sind über zehn Kilometer gelaufen und spüren jedes Gelenk.
Die Schmerzen verschwinden bei einer Flasche Rotwein in der Besenwirtschaft des Ortes. Von einem solchen Lokal hatte ich zuvor nie etwas gehört. Eine Besenwirtschaft ist unter anderem die Verkaufsstelle eines Weinguts. Man sitzt an Holztischen inmitten einer urigen Einrichtung mit Dekorationsgegenständen aus dem Weinanbau wie Fässern und Pressen oder auch aus der Landwirtschaft allgemein. Zwischen Kerzen in mit Schmiedekunst versehenen Gläsern genießt man kleine Häppchen wie Gemüsepflanzerl, Wurstsalat oder Flammkuchen mit hiesigem Wein.
Der Nachtschlaf ist entsprechend tief bis auf meinen Alptraum. Morgen reicht ein Glaserl!
Wir freuen uns auf das Frühstück, und obwohl es nicht im Garten stattfindet, weil der Wind noch zu kalt ist, werden wir nicht enttäuscht. Es schmeckt wunderbar, die Chefin versorgt uns mit frischen Spiegeleiern und allerlei anderem nach Wunsch.
Wenn wir unterwegs sind, lernen wir immer unglaublich leicht Menschen kennen und kommen ins Gespräch. So auch diesmal mit unseren reizenden Gastgebern, die jede Menge Tipps für Ausflüge (und das Leben) parat hatten. ;)
Vielen Dank an dieser Stelle an Klaus und Kristina! Wir haben uns bei euch sehr wohlgefühlt.
Ihr familiär geführtes Hotel in dem Fachwerkbau entstand aus einer ehemaligen Landwirtschaft. Es gibt eine Elfenvitrine neben unserer Zimmertür und überall lauschige Plätzchen mit unterschiedlichster Deko, von alten Fahrrädern über tolle Blumenarrangements bis hin zu Statuen. Ich habe sicher nicht alles entdeckt und gesehen, weil die Frühstückszeit mit nettem Plausch so unterhaltsam war.
Doch wir haben ja noch etwas vor und starten dann bald. Es geht nach Unteruhldingen zu den Pfahlbauten.
Seit ich als Autorin unterwegs bin, steigt bei jeder Reise mein Interesse an der Geschichte und unter welchen Gegebenheiten die Menschen gelebt und überlebt haben. In jungen Jahren war meine Wissbegierde diesbezüglich recht eingeschränkt, muss ich zugeben: Sie konzentrierte sich auf die Französische Revolution bis Napoleon dank »Angelique« und auf den Sezessionskrieg (amerikanischer Bürgerkrieg) dank »Vom Winde verweht«. Erdkunde dagegen war für mich schon immer ein fesselnder Bereich.
Die Organisatoren des Pfahlbautenmuseums haben eine viel frühere Epoche so aufbereitet, dass man vor Staunen den Mund nicht zubekommt. Endlich verstehe ich die Geschichte der Menschheit zur Stein- und Bronzezeit. Was daran liegen mag, dass erstmals – außer der Fernsehreihe »Es war einmal der Mensch ...« in meiner Jugend – das Thema ansprechend und spannend verpackt war.
Natürlich treffen wir auf Touristenmengen, es ist Sonntag. Aber die Masse verläuft sich und wir haben Glück und sind noch vor dem großen Ansturm da.
Die Besucher werden durch drei Räume geschleust und nehmen an einem virtuellen Tauchgang teil, bei dem die Taucher ein Fundstück aus jener Zeit entdecken. Die technische Umsetzung ist beeindruckend, man befindet sich zwischen den Pfählen am Seegrund, Fischschwärme jagen vorüber und die Taucher sind direkt neben uns.
Dann öffnet sich die letzte Tür, und man tut einen Schritt auf den Steg zwischen den rekonstruierten Pfahlbauten und damit in eine andere Welt.
Die strahlende Sonne über dem blauen Bodensee wärmt im Wind ganz wunderbar und die Führerin bringt uns die Welt von einst sehr nahe. Wir betreten die Hütten, können die Bauweise erkennen, erfahren, wie das soziale Leben abgelaufen ist. Vieles ist belegt, manches kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuten. Wir dürfen Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände anschauen und anfassen. Interessant ist, dass egal, wie schwer den Menschen das Überleben fiel, sie hatten immer schon die Muße, zu verzieren und zu schmücken.
Wir schwitzen und frieren zugleich bei dem Gedanken, wie die Leute damals im Winter diese Holzpfähle aus schwerem Eichenholz in einer Länge von bis zu dreizehn Metern in den schlammigen Seegrund getrieben haben – mit reiner Muskelkraft und viel praktischem Verstand.
Unser modernes Kajak ist übrigens deutlich breiter als die schmalen Kanus von damals. Aber die Männer waren ja auch nur ca. 1,65 m und die Frauen 1,40 m groß.
In einer Hütte wird ein Film des SWR gezeigt: »Die Steinzeitkinder«.
Zwei Familien und zwei Junggesellen versuchen sich ab einem regnerischen August acht Wochen im Steinzeitleben. Ein sehenswerter Film: Über motzige Kids, die sich trotz Langweile mangels Unterhaltungsprogramm damit abfinden müssen, dass in einer Sippe ständig gearbeitet werden muss, um zu überleben. Wir beobachten die Erwachsenen, die die Familie sattbekommen müssen. Es heißt unablässig Feuerholz und Beeren herantragen, aus Fellen Regenjacken nähen, Möbel anfertigen, dem Vieh Weidegrund anbieten und – für die Junggesellen – die Alpen überqueren, um Salz heranzuschaffen. Wir schauen den Film nicht ganz fertig, weil wir im Windzug in der Hütte frieren, wir Weicheier aus der Moderne. Zuhause werde ich nach der Dokumentation suchen, weil mich die Fortschritte der Steinzeitkinder interessieren.
Mittags essen wir Fischknusperl (paniertes Fischfilet) am Seeufer, und ich stelle fest, dass der Bodensee der Ort der besonderen Minigolf- und Spielplätze ist. Ich liebe Minigolfspielen, aber dazu ist diesmal leider keine Zeit. Der Ball kann in das Maul einer Schlange eingelocht werden, die sich um einen Baum windet oder in den Baum unter einem Storchennest, ein Zeppelin schwebt über dem Platz. Am nächsten Tag sehen wir übrigens den großen, echten Bruder am Himmel über Mainau. Am Ufer bei Hagnau finden wir einen Spielplatz im Fluch-der-Karibik-Thema. Sehr cool für die Kids!
Auf der Rückfahrt baden wir an einer kleinen Bucht (das Wasser ist noch saukalt), die wir am Vortag entdeckt haben, was nicht einfach war, denn viele Strandabschnitte sind Privat- oder Hoteleigentum. Apropos: Der Prozentsatz mit grandiosen, oft modernen Villen am Seeufer ist hoch und es gibt Restaurants, da konnten wir außer Porsche, Mercedes und BMW keine anderen Automarken entdecken. Ach ja, ein Oldie-Mustang fuhr uns über den Weg. Das merkt man natürlich an den Preisen, und wir sind froh, dass wir zwei Kilometer weiter im Hinterland gebucht haben.
Abends machen wir uns schick und besichtigen Meersburg. Ich muss zugeben, in meinen Top Five der schönsten Städte kommt es an Krumau im Moldaugebiet in Tschechien heran.
Beeindruckendes Fachwerk, Mühlräder und Türmchen unter Blauregenkaskaden und dazwischen bunte Blumenrabatte.
Die Preise hier toppen das bisher Gesehene: Wahnsinn, ab 15€ aufwärts bekommt man ein normales Gericht. Aber es schmeckt auch besonders an diesem schönen Ort, und – na ja – es ist ja eine besondere Fotoreise.
Den Sonnenuntergang beobachten wir am Fährhafen mit Blick auf die Fähren, die hier im Viertelstundentakt Richtung Konstanz abfahren und anlegen.
Wieder in unserem Domizil angekommen, stellen wir fest, dass am Sonntagabend (und vermutlich auch unter der Woche vor der Hochsaison) die Bürgersteige in Kippenhausen um halb zehn hochgeklappt werden. Wir organisieren uns noch eine Flasche Wein, bevor unsere Besenwirtschaft schließt und genießen sie an einem Sitzplatz für Elfen.
Das Wetter am nächsten Morgen ist uns wohlgesonnen und wir frühstücken ausgiebig und entspannt im Elfengarten.
Eine Stunde später stehen wir auf der Fähre nach Konstanz und fahren nach Mainau. Sollten wir nochmal hierher kommen, dann nehmen wir das Rad und strampeln lässig in zwei Kilometern über den kürzeren Uferweg auf die Blumeninsel.
In unglaublich aufwendiger Arbeit wurde hier ein wunderschöner Park rund um das Schloss geschaffen. Der Eintrittspreis von 21 € rechtfertigt sich durch vermutlich immense Personalkosten.
Wir haben natürlich die Spitzenzeit von Apfel- und Tulpenblüte Ende April verpasst und sind zu früh dran für die Rosen im Juni, aber es ging zeitlich nicht anders. Die Rhododendren blühen dafür um die Wette.
Erneut bewegen wir uns in Menschenmengen, aber wir schaffen es irgendwie trotzdem, Fotos zu schießen, auf denen nur Blumen zu sehen sind.
In unserem meist geliebten botanischen Garten bei Peschiera am Gardasee, Parco Giardino Sigurtà, spaziert man zwischen Bäumen und Büschen, Teichen und Rosengärten mit Blick auf die Burg von Valeggio. Der André-Heller-Garten in Gardone Riviera ist auch ein kleines Schmuckstück mit den sich harmonisch einfügenden, dekorativen Kunstwerken. Beide sind einen oder mehrere Besuche wert!
In Mainau liegt das Hauptaugenmerk auf den Blühpflanzen. Es gibt Alleen, Parkanlagen, das Schmetterlingshaus oder zeitweilige Ausstellungen wie zum Beispiel die Orchideen im Palmenhaus. Darüber hinaus findet man Spielplätze der besonderen Art, Streichelzoo und allerlei Lehrreiches zur Natur. Ein zu empfehlendes Familienerlebnis also – zu den Gastronomiepreisen sage ich nur so viel: Man könnte sich schon einen Apfel zum Sparen mitbringen.
Unsere Rückfahrt erfolgt um den See im Norden herum, der Stau um Friedrichshafen kostet Zeit im Sonnenschein, aber wir von Wasserburg am Inn wollten das Wasserburg am Bodensee sehen. Bis auf die interessante Geschichte als Vorratslager des Klosters St. Gallen bis zum Fuggereigentum, mal mit Wassergraben, mal ohne, sind wir hier enttäuscht, was auch am Wetter liegen mag. Es beginnt zu regnen, und so machen wir uns auf den Heimweg.
Abends ziehen wir das Resümee unserer Reise auf unserem Lieblingsort zuhause: Balkonien.
Es waren drei Tage außerhalb des Alltags voller Eingebungen und Eindrücke.
Und ihr könnt sicher sein, dass in Teil 2 meiner Sternenflut-Trilogie einiges wiederzuerkennen ist.
In der Zwischenzeit legen wir euch den Bodensee als Reiseziel ans Herz und für den Aufenthalt das Elfenhotel - für diejenigen unter euch, die offen sind für Begegnungen und fantasiereiche Dekorationen.
Eure Ainoah
Leseprobe aus Teil 2 der Sternenflut-Trilogie, Erscheinungstermin Herbst 2018:
Cassian trat an den Rand der Schlucht und vermied es hinabzusehen. Er spürte frustriert, wie der altbekannte Schwindel Besitz von ihm ergriff.Übelkeit stieg in ihm herauf, der Schweiß trat ihm auf die Stirn und in den Nacken und begann sowohl an seinen Schläfen als auch an seiner Wirbelsäule hinab zu rinnen. Seine Handflächen wurden feucht, und er wischte sie genervt an seinen Oberschenkeln ab.
»Ich habe Zeit«, mahnte er sich selbst. »Zunächst sollte ich einfach versuchen, nicht ohnmächtig zu werden.«
Er grinste böse über seinen Zynismus und hielt sich krampfhaft an dem großen Felsen fest, in welchen ein Haken geschlagen war. Hier nahm das Seil, das dem Wandernden Halt über die ganze Brücke gab, seinen Anfang.
Cassians Blicke folgten dem Verlauf des Weges. Die Gruppe hatte bereits die Mitte der Brücke erreicht. Gislinn drehte sich zu ihm um und ließ die anderen weitergehen. Der Zauberer wusste, sie käme sogleich zurück, wenn er sie rufen würde.
Nein, das wollte er nicht. Er musste losgehen, bevor das Mitleid der Steinelfe siegte. Er war doch ein Zauberer! Konnte er sich nicht einmal Mut anzaubern?
Er versuchte, sich auf eine positive Erinnerung zu konzentrieren, um sich abzulenken. Aber er wusste, sollte etwas die Konzentration unterbrechen, bräche die Panik sofort wieder durch. »Denk nach, was ist das Schönste in deinem Leben?«, forderte er sich selbst murmelnd auf.
Mirja fiel ihm ein. Der geheimnisvolle Ort im Moor mit den uralten Birken und den wundersamen tanzenden Wesen im Wasser.
Er tat den ersten Schritt hinaus auf die Brücke. Wacklig setzte er einen Fuß vor den nächsten. Er erklomm einen kleinen Hügel, und ignorierte den schrecklichen Moment, als er auf der anderen Seite wieder hinab musste und dabei einen freien Blick in die Tiefe bekam.
»Mirja, schönste aller Nixen, heißblütigste aller Frauen. Du und der Pree seid meine Heimat.«
Doch dann packten ihn Angst und Verzweiflung, darüber dass es keine Zukunft für sie beide gab.
»Wo bist du, Mirja? Ist dir etwas zugestoßen?«
Seine Beine fühlten sich schwach an, und er begann zu schwanken. Rasch ließ er sich nieder und lehnte sich an einen Felsen. Den stachligen Busch, der aus diesem hervorspross und seinen Rücken und Nacken zerkratzte, spürte er nicht.
»Cassian? Bist du in Ordnung?«, hörte er Gislinns besorgte Stimme. Sie klang nicht so weit entfernt, wie Cassian vermutet hatte. Er richtete sich auf und blickte auf den Weg, der noch vor ihm lag. Ungläubig blinzelte er: Er hatte bereits die Hälfte bis zur Plattform geschafft! Dort stand die Elfe und wartete. Cassian hob seinen Arm, der ihm viel schwerer als sonst zu sein schien.
»Alles in Ordnung, danke. Du kannst weitergehen, Gislinn.«
Statt diesem heldenhaften Satz hätte er sie lieber angefleht zurückzukommen und ihn hinüber zu tragen. Aber er wusste mit einem Mal, dass dies seine Prüfung war. Diese musste er bestehen, um seiner Aufgabe würdig zu sein. Wie sollte er Weltenretter auswählen, wenn er nicht einmal eine Brücke überqueren konnte. Was war er für ein Feigling!
Er erhob sich und packte das Seil. Langsam jedoch zusehends entschlossener hangelte er sich entlang und binnen weniger Minuten hatte er die Mitte erreicht. Es ging gerade so gut, sollte er gleich weitergehen?
Da erinnerte er sich an die Worte der alten Frau:
»Setzt Euch auf den höchsten Punkt und denkt darüber nach. Überwindet Eure Ängste, erreicht die nächste Ebene. Die Höhe ist nicht Euer Feind!«
Er fand den von Skulptor empfohlenen Platz und lehnte sich an den Felsen. Dann hob er den Blick und erstarrte. Die Sonne befand sich bereits kurz über den Horizont. Der rotgoldene Ball hatte die Färbung angenommen, die sein baldiges Versinken hinter den Horizont ankündigte. Viel Zeit zum Verweilen blieb dem Zauberer nicht mehr, wenn er nicht im Dunklen weitergehen wollte, was einem Selbstmord gleichkäme.
Neugierig blickte er zurück auf den Weg, den er hinter sich gebracht hatte. Endlich wagte er den Blick in die Schlucht. Die Felsenspitzen waren durch die heraufziehende Dunkelheit nicht mehr so furchteinflößend. Die Tiefe schien mit den Schatten zu verschmelzen, weicher und ungefährlicher zu werden. Nichts rührte sich, obwohl sicher einiges Getier seine Heimat dort unten hatte.
Cassian entspannte sich und überdachte das Gespräch mit Naila und die Worte des wütenden Lynx’.
Sie empfanden ihn, Cassian, als unsicher und gefallsüchtig, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne. Keine schönen Charaktereigenschaften für einen Mann, der zugleich Zauberer und Weltenretter sein sollte. Musste er endlich lernen, seine eigene Meinung höher zu bewerten? Durchzusetzen, dass mehr Personen nach seinen Werten handelten und lebten? Bisher hatte er die Maxime vertreten, dass er sich nicht in die Belange anderer einzumischen hatte, aber von sich selbst forderte er viel. War es zuviel? Oder war es einfach zuwenig, was seine Umwelt – ob Sternenjäger, Menschen oder weitere Wesen – bereit waren zu geben oder sogar zu opfern?
Mit einem Mal war er sich dessen gewiss. Er selbst musste nur selbstbewusster und fordernder werden. Wirklich ändern dagegen mussten sich die anderen.
Wunderbare Ruhe überkam ihn und Cassian fing an zu summen, wie er es von Naila gehört hatte. Es funktionierte. Er spürte, wie ein Lächeln seine Lippen spannte, wie sich die Stirn von den Sorgenfalten der letzten Tage befreite, wie der Schmerz, den er seit Wochen in den Schultern empfand, nachließ.
Und so geschah es, dass sich der Flusshändler, der in Wahrheit ein Zauberer war, in der Welt außerhalb der Flusslande wohlzufühlen begann. Diese Welt wahrnahm und bereits weiter flog. Hinauf zu den Sternen, dorthin, wo seine Wurzeln lagen, die er zum allerersten Mal mit sich verbunden spürte.
Als er die Augen wieder öffnete, war es stockdunkel um ihn herum. Er blickte hinüber zum Tempel, wo einige Fackeln leuchteten. Eine befand sich direkt am Ende der Landungsbrücke. Es lag keine weite Strecke mehr vor ihm, aber der Weg war voller Wurzeln, Steine und Löcher. Er würde vorsichtig sein müssen.
Cassian machte sich keine Sorgen. Er würde es ohne Probleme schaffen. Er wusste nur noch nicht, ob er sich von dem Ort lösen wollte, an dem er sich gerade so wohl fühlte.
Erneut schloss er die Augen und diesmal wanderten seine Gedanken zurück zu der Nacht, an der sich so vieles in seinem Leben geändert hatte.
Die Nacht, in der Anice gestorben war.
Ihr kennt Teil I der Sternenflut-Trilogie noch nicht?
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Weitere Leseproben zu meinen Büchern findet ihr in den vorigen Blogeinträgen und auf meiner Facebookseite Ainoah Jace, Autorin.
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