Reisen, träumen, lesen, schreiben
Alles hängt für einen fantasiereichen Menschen zusammen. Ein Land, das meine Fantasie beflügelt hat wie kein anderes, ist Sri Lanka.
Das ehemalige Ceylon, britisches Kolonialland mit spannender Geschichte, besitzt unzählige außergewöhnliche Orte. Natürlich sind für viele Menschen die traumhaften Strände das Wichtigste, aber für mich war der tiefe, grüne Dschungel von größtem Reiz. Stundenlang fuhren wir durch dichte Plantagen oder Palmenhaine, besichtigten Tempel, bekamen Buddhas in allen Ausführungen und Größen zu sehen und waren von der ruhigen Freundlichkeit der Singhalesen begeistert.
Nun lief vor einigen Wochen das Traumhotel (Sri Lanka) und ich fühlte mich wieder mitten in meine Erinnerungen versetzt.
Gut, ich hatte den Sigirya-Felsen nicht benachbart zum Elefantenwaisenhaus im Kopf. Es könnte natürlich an einem mangelhaften geografischen Gespür gescheitert sein, ansonsten finde ich schöpferische Freiheit in engem Rahmen erträglich. Die Ausblicke auf Teeplantagen und Dschungel waren wie immer gekonnt umgesetzt, der Zuschauer bekam wunderschöne Eindrücke vermittelt und die bezaubernde Yvonne Schönherr zeigte, was mit der Beschreibung "Augen wie Teiche" gemeint ist.
Der Sigiriya-Felsen, Heimat des über 1500 Jahre alten Gemäldes der Wolkenmädchen (inzwischen Weltkulturerbe) war für mich nicht bis zum letzten Punkt erreichbar, da ich nicht schwindelfrei bin. Der Besuch der Ausgrabungen auf dem Felsen, nur erreichbar auf schmalen Holzstegen über dem tiefen Abgrund, verlangten mir bereits alles ab. Dabei hatte ich eigentlich schon in Colombo (7. Etage im Hilton) befürchtet, ich müsste auf dem Boden an der Wand schlafen, den hervorragenden Ausblick konnte ich dort nicht genießen. Die Wolkenmädchen besuchte mein Mann alleine (er kann deren Schönheit vielleicht auch besser würdigen als ich ) und ich sah sie mir auf den Fotos an.
Was beeindruckte mich in dieser ganz anderen Welt am meisten:
- die Geräusche im Dschungelhotel
- die zarte Blüte auf dem Kopfkissen, das Bett unter dem romantisch beleuchteten Moskitonetz
- die Stadt Kandy in der Abendsonne, wenn Scharen von Flughunden zwischen den riesigen Bäumen am Flussufer in lauter Unterhaltung hin und her flattern
- das fantastische Mittagessen in einem Berghotel hoch über den Baumkronen, in denen wir kreischende und turnende Affen beobachten konnten.
Diese, tief in meine Erinnerungen eingegrabenen Stunden werde ich niemals vergessen und sie haben sich in meinen Büchern wieder hervorgearbeitet.
Wenn Nell und Shane sich durch die Baumkronen Djamilas bewegen, auf dem Weg in die tödliche Gefahr eines Dschungels, dann habe ich dieses zugleich zauberhafte und auch tief beeindruckende Bild vor Augen und höre die Affen (Nyani) Alarm schlagen.
New York wird mich wegen einem vermutlich unumgänglichen Aufenthalt in Wolkenkratzern sicher niemals sehen. Aber viel schlimmer ist, dass ich wieder Fernweh bekommen habe: Ganzheitliche Heilung nur möglich durch akutes Reisen.
Ein wenig abzuschwächen kann ich es allerdings dadurch, dass ich über fremde Orte schreiben.
Auszug aus "Jäger" - Band 2 der "Traumwandlerin-Saga"
Ein Schatten schlich unter dem Baum umher und Nell tippte Shane vorsichtig an die Schulter. Als dieser sich nach ihr umdrehte, wies sie schweigend hinunter.
Die beiden Männer verhielten sich still und beobachteten den Boden unter ihnen. Nun konnten sie im Schein des aufgehenden Mondes sehen, was es war: eine Tigerkatze! Deutlich kleiner als die Dolchkatzen, mit sehr geschmeidigen Bewegungen. Und als sie zu ihnen herauffauchte, konnten die drei sehen, dass auch dieses Gebiss mit Fleisch und Knochen eines Menschen sicher kurzen Prozess machen konnte.
Nell schluckte und sah nervös zu Shane hinüber, der breit grinste und leise meinte: „Nell, sie kann hier nicht hinauf: Es gibt keine Äste, nur die stachlige Rinde. Und wir bleiben einfach hier oben, in Ordnung?“
Als sie eilig nickte und ihn unsicher anlächelte, beugte er sich zu ihr hinüber und gab ihr einen kurzen, festen Kuss.
„Das ist mein Mädchen! Wir sind übrigens soweit. Diesmal machen wir die Reihenfolge umgekehrt. Ich fahre vor, dann du, Nell, und Tiger, du passt hinten auf, dass Nell nicht einschläft. Nell, wenn du müde wirst, sag Bescheid. Bevor du einschläfst, möchte ich, dass du bei mir auf dem Wagen sitzt! Verstanden?“
Die beiden nickten und dann ging es los. Immer leicht bergab, so dass sie sich langsam mit dem Vorwärtsziehen und auch mit dem Gebrauch der Bremsen, die sich am Seil festklemmten, wenn sie gezogen wurden, vertraut machen konnten. Unter ihnen raschelte es immer wieder und nach und nach gewöhnten sie sich an die anderen Laute des Dschungels:
Vögel zwitscherten in allen Tonlagen, in kurzen und langgezogenen Tönen. In der Ferne hörte man das Kreischen von Affen und einmal auch das Gebrüll einer Tigerkatze. Es war wie Musik: Eine seltsame, aber auch berauschende Musik, die einen verführte, in Träume einzutauchen. Nell rief sich selbst immer wieder zur Ordnung, wenn sie spürte, dass sich ihre Gedanken von der Wirklichkeit entfernten. Denn war sie einmal in irgendwelchen Tagträumen unterwegs, war die Gefahr dabei einzuschlafen groß. Sie waren sich bewusst, dass sie in einer ihnen unbekannten und sehr gefährlichen Welt unterwegs waren. Dennoch war es dort oben auf den Seilen faszinierend und Nell hoffte, dass sie morgen noch alle diesen Ausblick, den sie in ihrem gestrigen Traum gesehen hatte, auch im Hellen genießen könnten. Sie gewöhnten sich an die Geräusche und schließlich kamen sie an den steilen Hang, der den Beginn vom „gefährlichen Tal“ bedeutete. Shane hielt an und fixierte die Bremse. Vorsichtig lehnte er sich nach vorne und spähte hinab.
Das ging ja verdammt steil hinunter!
Er drehte sich zu den beiden anderen um und erkannte im Licht des abnehmenden, aber immer noch sehr hellen Mondes, dass Nell müde wirkte. Tiger sah ihn fragend an und Shane meinte entschlossen:
„Es wird ab jetzt ziemlich steil. Nell, du kommst jetzt zu mir, denn ich weiß nicht, ob deine Kraft für die Bremsen ausreicht. Tiger, wenn du nicht mehr kannst, dann warne mich vor, bevor du mir hinten auffährst. Wenn du langsam ankoppelst, kann ich dir helfen!“
Tiger nickte und grinste etwas angespannt. „Ich werd‘s schon schaffen, Shane. Mach dir keine Sorgen.“
Shane fiel plötzlich auf, wie sehr sich Tiger in den letzten Monaten verändert hatte. So wie Nell weiblicher und erwachsener geworden war, war aus dem Jungen ein junger Mann mit breiten Schultern und einem muskulösen Körper geworden. Das Training von Lilas sah man ihm deutlich an.
Shane nickte zurück. „Klar schaffst du das! Du bist ja kein Mädchen“, grinste er mal wieder frech Nell an, während er sie vorsichtig zu sich auf den Wagen zog.
Nell schnaubte nur leise durch die Nase. Solche Sätze waren es gar nicht wert, darauf zu antworten. Sie zeigten ihr allerdings immer wieder mal, dass Shane auch noch nicht lange erwachsen war.
Sie setzte sich zwischen Shanes Beine und erstarrte, als sie nun sah, wie steil es hier hinunterging.
„O Gott, Shane, wir werden uns auf dem Brett nicht halten können und runterrutschen“, keuchte sie entsetzt auf. Shane nahm ein Seil, welches er vorsorglich aufgeladen hatte und schlang es um ihrer beider Körper. Dann befestigte er es an einem Haken an der Rückseite des Rollwagens. Er wartete, bis es Tiger ebenso gemacht hatte, dann zog er sich und Nell sanft über die Rollen, nach denen es steil bergab ging.
„Wenn‘s geht, nicht zu laut kreischen, Nell! Sonst ist das Überraschungsmoment bei Norisha vertan“, neckte er sie, und Nell, der bereits ein Schrei auf den Lippen gelegen war, presste diese fest zusammen und hielt sich beinahe panisch an Shanes Hosenbeinen fest. Kurz schloss sie die Augen, aber als sie spürte, dass Shane die Kontrolle über das Tempo des Wagens hatte, öffnete sie diese wieder und beobachtete diesen unbekannten Teil des Dschungels genau.
„Das gefährliche Tal“ sah aus wie der Dschungel, den sie soeben verlassen hatten; nur etwas dichter und grüner erschien er ihr. Deutlich anders waren allerdings die Geräusche hier unten: Weniger Zwitschern, mehr Gekreische, Geknurre und Gefauche waren zu hören und ihnen wurde bewusst, dass sich unter ihnen eine große Anzahl der Dolchkatzen befanden, die die Eindringlinge vermutlich schon gehört hatten. Nach dem steilen Abhang tauchten sie wieder in den Dschungel ein.
Shane beobachtete die Bäume genau. Aber hier war die Seiltrasse viel weiter weg von den Bäumen als im oberen Dschungel.
Da! Dort drüben auf einem der Urwaldriesen stand eine, nein, es waren drei von diesen riesigen Tieren, die zu ihnen hinübersahen. Eine Dolchkatze legte den Kopf zurück und ließ ein schauerliches Gebrüll hören und bekam vielstimmige Antwort aus dem Blätterwald unter ihnen.
„Na wunderbar! Soviel zum Überraschungsmoment!“, knurrte Shane genervt. Langsam zog er sich dahin und Tiger folgte ihm dicht auf. Wachsam beobachteten sie alles um sie herum.Dann spürte Shane, dass Nell trotz der beängstigenden Situation ihrem unbändigen Verlangen nach Schlaf nachgegeben hatte und eingeschlummert war. Sie schlief tief und ruhig und Shane bemühte sich, sie nicht zu wecken.
Nach einiger Zeit wurde sie langsam unruhig und begann sich zu bewegen. Das Traumwandeln begann und Shane wusste nicht, wie weit sie noch hatten.
Wenn ich alles richtig gemacht habe, dann seht ihr beim Lesen Sri Lanka - Djamila vor euch, hört die Affen schreien und die Raubkatzen fauchen. Ihr spürt die Feuchtigkeit der Luft auf eurer Haut und das verwirrende Gefühl im Magen, wenn ihr euch in großer Höhe bewegt.
Ainoah
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