»Wilde« Recherche zum Lokalkrimi – über Bambi und Co.
Im vorigen Blogartikel habe ich euch über die Hauptlocation von Krimi-Minnies zweitem Fall berichtet.
Aber wer ist eigentlich in diesem Buch das Opfer?
Ohne zu viel verraten zu wollen:
Es ist ein Jäger, und ich erzähle euch darüber etwas mehr, denn dieses Umfeld war auch für mich komplett neu.
Ein Film über die Wildschweinproblematik brachte mich darauf, der mir zeigte, dass ich ein sehr einseitiges Bild von wilden Rotten, Bambi und ihren »Bezwingern« hatte.
Natürlich weiß jeder, dass das Wild in Zaum gehalten werden muss, doch wie schwierig das teilweise ist, war mir nicht klar.
Ja, man sitzt lange auf einem Hochsitz und wartet oder pirscht durch die Wälder, bis man hoffentlich erfolgreich ist.
Neben den technischen Schwierigkeiten des Profis, das Wild in der richtigen Anzahl zu den erlaubten Zeiten zu erwischen, hat die Jägerschaft – Hegering – oder wer auch immer gerade zuständig ist, einiges mit den Anforderungen von außen zu tun. Die Politik stellt Regeln auf, und die Waldbesitzer und Landwirte nehmen den Jäger in die Pflicht, die Natur zu schützen. Das kann anstrengend und zeitraubend sein, besonders wenn die sich ständig vermehrenden Wildschweine ganze Felder umackern und der Bauer auf dem Verlust sitzen bleibt.
Zu viele Rehe bedeuten, dass junge Bäume an den Spitzen angeknabbert werden und nicht mehr wachsen. Heute arbeiten vor allem die sogenannten Öko-Jäger darauf hin, auf Natur und Wild gleichzeitig zu achten. Denn nur ein artenreicher Wald beherbergt artenreiches Wild, das wiederum für einen artenreichen Wald sorgt. Sie brauchen einander – und für das Gleichgewicht zwischen den »Parteien« und ihr produktives Miteinander sind Jäger und Förster zuständig.
Nun zur Minnie:
In »Mords-Kaliber« geht es um einen ermordeten Jäger. Trotz viel Recherche mit Filmen zum Thema und den Websites von Hegering, Berufsfachschulen sowie von Firmen zum Verkauf von Jagdausstattung wollte ich mich nicht darauf verlassen, dass ich die richtigen Formulierungen schon finden werde. Wie immer machte ich mich also auf die Suche nach einem Profi und fand ihn mit Raffael, der Lehrer und im Privaten Öko-Jäger ist. In einem dreistündigen Skypetreffen löcherte ich ihn – schlechte Analogie zum Thema :-) – mit Fragen zu Kleidung, Waffe und Patronen, Jagdablauf, Jagdhundrassen und -erziehung, Weiterverarbeitung des erlegten Wildes, Pflichten und Rechte der Jäger, Spleens und persönliche Vorlieben bei der Jagd.
Denn ich hatte bereits einige Ideen, wie das ganz ablaufen sollte. Dank Raffael fand ich ein noch besseres Motiv, habe nun hoffentlich alles richtig formuliert und hatte jede Menge Spaß. Er nahm sich im Nachhinein auch die Zeit, die entsprechenden Texte nochmal zu korrigieren. Ich bin sehr dankbar für seine Hilfe!
Übrigens habe ich im Nachhinein festgestellt, dass es schon Regionalkrimis zum Thema gibt. Und damit gibt es sicherlich den ein oder anderen, der mir vielleicht vorwirft, abgekupfert zu haben. Nachdem mich aber zuerst das Thema und dann die Recherche fasziniert hat und mir erst bei der Titelsuche diese Erkenntnis kam, kann ich nur hoch und heilig schwören – ich habe wie üblich keinesfalls Ideenklau betrieben. Und wer die Minnie kennt, weiß, sie ermittelt anders als andere. Ich bin mir sicher, dass ihr auf jeden Fall euren Spaß haben und Spannung verspüren werdet.
Ich hoffe, ich habe euch neugierig gemacht:
Auf die Minnie, die mit Jäger und Hund durch den Wald schleicht.
Dabei wird ihr trotz der schönen Plätze dann ganz anders zumute.
Einmal sind mein Mann und ich beim Spaziergang übrigens fast in eine Treibjagd geraten. Wir trafen auf mit roten Bändern abgesperrte Bereiche und hörten dann Schüsse und Hundegebell. Wir haben uns ziemlich flott aus dem Staub gemacht – das kann ich euch sagen.
Hier nun eine kleine Leseprobe, die euch mitten ins Grüne führen soll. Das Buch selbst wird Anfang Juli erscheinen.
Gerade in der Wohnung angekommen, meldet sich der Gustl. Peter Lambrecht hat ihn angerufen, dass in der Nähe vom Hochsitz mehrere getötete Wildschweine gefunden wurden. Er wolle noch was anderes checken, danach aber dorthin nachkommen.
»Dein Jagdhund?«, frage ich lächelnd, von dem hübschen Gesicht bezirzt.
»Ja, das ist der Champ.«
»Kein Poldi oder so?«
Ludwig lacht. »Gefällt dir ›Champ‹ ned? Er ist einfach so guad, dass er den Namen verdient hat.«
»Ein Irish Setter, oder? Sehr hübsch.«
Als wir losfahren, legt sich der hübsche und »guade« Kerl hin. »Ja, das sind super Allrounder und gute Vorstehhunde.«
»Ich versteh nur Bahnhof.«
»Ein Vorstehhund zeigt es seinem Jäger, wenn er ein Wild hört oder riecht, mit seiner Körperhaltung. Er hebt einen Fuß hoch, bleibt aber ganz staad.«
»Müssen ned alle Jagdhunde folgsam und staad sein, wenn der Jäger das sagt?«
»Ja, trotzdem gibt es Unterschiede bei den Rassen: Manche Hunde sind gut im Aufstöbern, also Aufscheuchen. Andere im Nachsuchen, und wieder andere jagen selbst für den Jäger. Mein Champ kann das alles gut – außer in einen Bau kriechen. Dazu ist er zu groß.«
Ich nicke, denn das leuchtet ein. Interessant, über so etwas habe ich noch nie nachgedacht. Dass es für verschiedene Jagdtechniken unterschiedlich geeignete Rassen gibt.
»Mit welchen Hunden jagt man Bären?« Die Frage kann ich mir nicht verkneifen.
Ludwig grinst und antwortet gemütlich, während er am Gymnasium vorbei den Berg hinauffährt. Natürlich hat der Profi eine Antwort. »Mit karelischen Bärenhunden oder Laikas. Das sind schlanke, schnelle Tiere, die für die Jagd im Norden passen. Oder mit einem Bluthund, der eine unglaublich gute Nase hat. Der schnüffelt auch oft für die Polizei, beispielsweise, wenn jemand vermisst wird.«
»Wie ist das bei dir mit den Arbeitszeiten?«, fragt er mich nun. Von Ludwig weiß ich, dass er einer der wenigen Auserwählten ist, der einen Job als staatlicher Revierjäger bekommen hat. Er kann seine Zeiten bestimmen, muss sich aber nach dem Wild beziehungsweise den günstigsten Jagdzeiten richten. Und nach den Anforderungen der Bauern und Anfragen anderer Jäger. Vermutlich ein Fulltime-Job. Den hab ich genaugenommen ebenfalls, bloß dass es eben mehrere Jobs sind. Ab Herbst fällt allerdings das Spülen im Roma weg, weil die Gäste weniger werden und die Gelateria im Winter ganz schließt. Ich genieße es, weil ich ein bisschen vorarbeiten kann, was Töpfern und Schreiben angeht. Das verstehen Menschen mit geregelten Arbeitszeiten nicht. Manche setzen es gleich mit Nichtstun.
»Ich wäre frei wie ein Vogel, wenn ich kein Geld bräuchte. Deshalb muss ich mich auch heute Nachmittag um den nächsten Auftrag kümmern.« »Du kriegst Aufträge?« Der Ton ist erstaunt, für mich nichts Neues.
»Ja, es gibt Menschen, die mögen Deko, die nicht von toten Tieren stammt. Die zahlen nur weniger als eure Trophäensammler.«
»Und was – äh – dekorierst du gerade?« Ich muss lachen, der hat noch weniger Ahnung von meinem Job als die meisten, und das heißt schon etwas. »Ich habe in der Ausstellung am vergangenen Wochenende einige Schweinderl verkauft.«
Er fängt an zu prusten.
»Und jetzt mache ich Alpakas.« »Al ...?«
Ihm laufen die Tränen über die Wangen.
Ich erkläre geduldig: »Alpakas gehören zur Rasse der Kamele und leben in den Anden.«
»Das weiß ich, Minnie. Ich muss für meinen Beruf jede Menge Tiere kennen. Auch wenn selten Alpakas durch unsere Wälder streifen. Die sind doch flauschig, und du arbeitest mit harten Materialien. Die Tochter unserer Nachbarin läuft dauernd mit so Kuscheltierzeugs rum. Ich glaube, die hat sogar Ratzefummel mit Alpakamotiv und Haarschleifen und so.«
»Ja, das ist grad voll in, deshalb mache ich Alpakas für ein Hoffest auf einem Alpaka-Hof.« Das Auto schlingert ein wenig bei seinem nächsten Lachkrampf, und ich schimpfe kräftig.
Das Lachen hat dem Ludwig gutgetan, aber nun wird er wieder ernst, als er auf den Anlass unseres Ausflugs kommt. »Diese toten Wildsauen, ich will wissen, wer das war. Das Revier meines Vaters ist noch nicht freigegeben. Wenn jemand schießen will – was die Wildsauen angeht, wäre es ja gut –, muss der es erst beim Grabmeier oder bei mir anfragen und kann nicht einfach anfangen herumzuballern.«
»Wäre es ein Jäger gewesen, hätte er die Tiere dann ned mitgenommen?«
Ludwig denkt eine Zeit lang drüber nach. »Ja, normalerweise ist es Verschwendung, die Tiere verrotten zu lassen. Außerdem steigt die Gefahr für Seuchenausbreitung, falls eins von denen einen Erreger in sich hätte.«
»Wie die Afrikanische Schweinepest?«
Er wird ein bisschen blass. »Ja, das wäre die schlimmste Variante.«
»Du glaubst, es war trotzdem ein Jäger?«
Er beißt einen Moment die Zähne zusammen, das sehe ich an den Kiefern. Dann stößt er hervor: »Ein Wilderer hätt’ sie sicher mitgenommen. Ein Bauer hätt sie verschwinden lassen. Es kann nur einer sein, der meinen Vater gehasst hat und zeigen will, was der erledigen hätt’ sollen. Also ein Jäger.«
Das klingt logisch. Und etwas gruselig für mich waffenlose Keramikerin. Und Ludwigs finstere Absichten machen es nicht besser. »Ich muss rausfinden, wer die Sauen umgebracht hat, Minnie. Denn der hat auch meinen Vater auf dem Gewissen.«
Dann nehmen sie die Waffen aus den Autos, und ich werde ein wenig nervös. Es ist doch ganz etwas anderes, eine Waffe im Film oder in echt zu sehen. Und so ein Gewehr wirkt massiver und gefährlicher als eine Pistole. Leben kosten können sie beide! Die Jäger hängen sich die Gewehre am Riemen über die Schulter, pfeifen ihre Hunde herbei, und wir betreten den Wald. Zunächst folgen wir einem befahrbaren Weg etwa eine Viertelstunde. Es ist wunderschön: die Lichtstimmung im Herbstwald, der Geruch nach modrigem Laub und Schwammerln. Es raschelt, aber die Hunde bleiben mit gespitzten Ohren und der Nase am Boden an der Seite ihrer Herrchen.
Dann biegen wir ab. Es ist kein Weg mehr vorhanden, zumindest auf den ersten Blick nicht. Nur eine schmale Fährte, als wäre jemand vor uns durchs hohe Gras gestreift. Wir umgehen Brombeerbüsche, klettern durch eine Senke, wo uns ein kleiner Hüpfer über den Bach bringt. Auf der anderen Seite wird wohl eben ein neuer Wald hochgezogen: Blaue Plastikklupperl stecken auf den Spitzen der Minifichten, um die Rehe am Abknabbern derselben zu hindern.
Hellgrünes Moos wird von den durch die hochgewachsenen, nadelarmen Bäume fallenden Sonnenstrahlen erhellt. Meine Fantasyseele würde sich jetzt hier gerne niederlassen und den Feen beim Tanzen zusehen. Ob ich nochmals hier an diesen Ort finde? Dann könnte ich mich ins Moos setzen und schauen und träumen und alles aufschreiben, was mir in den Sinn kommt.
Doch mit dem Träumen hat es sich im nächsten Moment erledigt, denn Champ gibt ein kurzes Bellen von sich, und Burgi zerrt an der Leine. Ludwig zeigt mir Spuren. »Das ist das typische Trittsiegel eines Wildschweins. Die zwei vorderen Hufschalen und die kleinen Afterklauen.« Es sieht eher aus wie ein Papageienschnabel, finde ich, nicke aber nur. Ludwig hat heute schon genug über mich gelacht. Wir treten auf eine große Lichtung, das Gras ist hier etwa einen halben Meter hoch.
Und am Ende der freien Fläche sehe ich ihn: den Hochsitz. Ich schlucke schwer. »Ludwig, ist das der Hochsitz ...«
Viel Vergnügen Eure Moni