Eine Eselsbrücke für die Fantasy

Das Horrorfach meiner Kindheit ist endlich von Nutzen. Latein ist wichtig für die Schulung von Genauigkeit und Logik. Wie sehr habe ich diesen Satz und das Fach gehasst, auch wenn mir Auswendiglernen leicht fiel. 

Tommileew pixabay fox 3419552 1920Foto: Tommileew/pixabayAuf dem Tiefpunkt meiner schulischen Leistungen in Latein nahm sich mein Vater ohne große Begeisterung meinerseits der Sache an und paukte fleißig mit mir. Eine seiner seltenen Eselsbrücken lief mir nun bei den Recherchen an »Porta Caelesta« (ja, Latein für Himmelstor!) über den Weg. Auf der Suche nach lateinischen Namen für den Fuchs, um die Moorfüchse auf der Himmelsscholle Azurmia ansprechend zu verpacken, fand ich auf leo die Übersetzung »alopex« und ein breites Grinsen lag auf meinem Gesicht.
So schnell ist man wieder der Kindheit und der Latein-Paukerei gelandet.

Leseprobe »Porta Calesta«:

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Die Nacht war feucht, aber nicht allzu kalt gewesen. Azurmia schien ein wärmerer Flecken Welt zu sein als Beretar.
Talin und Naim hatten nach einer einigermaßen komfortablen Übernachtungsmöglichkeit gesucht. Ihre erste Wahl, der Felsen in einiger Entfernung, der sicher auch ein paar Höhlen besaß, war weiter weg als gedacht.
Schließlich fanden sie eine Kiefer mit weit verzweigten Ästen und kletterten hinauf, bis sie zwei bequeme Astgabelungen erreicht hatten. Dort ließen sie sich nieder und ergaben sich ihrer Erschöpfung. Mehrmals in der Nacht fuhren sie hoch, da fremdartige Geräusche sie geweckt hatten. Aber nie war etwas zu erkennen gewesen: weder Mensch, noch Tier, noch irgendeine andere Kreatur.
Am Morgen, die Sonne ging gerade als fahler, gelber Schein über den Nebeln des Moores auf, kletterte Naim zwei Äste höher und ließ sich vorsichtig neben seiner Geliebten nieder. Er lächelte sie an und ihr Herz flog ihm zu, während sie ihn liebevoll staunend betrachtete. Der Mann, der sonst nur modisch gekleidet und gepflegt in der Öffentlichkeit anzutreffen gewesen war, sah ihrer Meinung nach mit echt zerstrubbeltem Haar und den zerknitterten Klamotten attraktiver aus als je zuvor. Naim strahlte statt kalkulierter Aggression nun eine Lässigkeit aus, die dennoch nicht verbarg, dass er gefährlich werden konnte. Talins volle Lippen öffneten sich und sie hauchte ihm einen Kuss auf den Mund, wobei sie sich etwas nach unten beugen musste. Naim nutzte ihre instabile Haltung aus und zog sie zu sich heran.
»Naim, wir stürzen hinunter«, keuchte sie erschrocken, aber er lehnte sich fest gegen den Stamm und zog sie zwischen seine Beine.
»Eine kleine Admiralin hat immer noch Platz auf meinem Ast«, neckte er sie und sie zog die Augenbrauen hoch.
»Ich frage lieber nicht, welchen Ast du meinst«, gab sie trocken zurück und er lachte, bevor er begann, sie leidenschaftlich zu küssen. Talin wunderte sich, wie er in dieser unbequemen Situation an Sex denken konnte. Aber bevor ihr Körper diesem Gedanken nachgehen konnte, beendete Naim den Kuss und blickte an ihr vorbei.
Beinahe enttäuscht wollte sie fragen: »Warum hörst du auf?«
Doch er hielt ihr rasch die Hand an die Lippen, um sie am Sprechen zu hindern.
Sein Daumen bewegte sich nach unten und Talin verlagerte ganz vorsichtig das Gewicht, um auf den Boden blicken zu können,
Ein Rudel von Füchsen streifte um den Baumstamm und schien Witterung aufgenommen zu haben, denn schließlich hob das größte der Tiere den Kopf und sah direkt in Talins Augen.
Die beiden Menschen gaben keinen Laut von sich, sondern taxierten die höchstens kniehohen Raubtiere. Diese besaßen nicht das rotbraune Fell der Füchse Beretars, sondern eine gefleckte Musterung wie Hyänen. Der offensichtliche Rudelführer zog die Lefzen hoch und knurrte in einem dumpfen, langgezogenen Laut. Dabei enthüllte er für Füchse unüblich lange Reißzähne und Talin schauderte es bei dem Gedanken, dass sie keinerlei Waffen dabei hatten.
»Sie klettern nicht auf Bäume«, vernahm sie Naims ruhige Stimme an ihrem Ohr.
»Bei uns auf Beretar nicht, aber die hier sehen anders aus. Woher willst du wissen, dass sie nicht klettern können?«
Talin war nicht der Typ für Panikmache, aber das Offensichtliche sollte schon erwähnt werden.
»Das ist richtig, Liebling. Lass uns mal hoffen, dass das Fell und die Beißerchen der einzige Unterschied sind. Auf jeden Fall steigen wir hier erst runter, wenn wir uns ein paar schlagkräftige Äste besorgt haben.«
Er zog ein Taschenmesser aus einer seiner Hosentaschen und begann, an einem Ast rechts hinter sich zu säbeln.
Talin kämpfte gegen ein spöttisches Lachen an, weil das Messer nicht allzu effektiv aussah. Natürlich sah er ihre Reaktion und grinste ebenfalls.
»Ich hoffe, dass ich fertig bin, bevor mir der Hintern abfällt. Du hast es ja bequem auf meinem Schoss und kannst leicht lachen.«
»Mehr oder weniger bequem, meinst du wohl. Ach ja, seit du säbelst, ist es etwas weicher geworden.«
Ungerührt weiterritzend erwiderte er:
»Nicht traurig sein, wir suchen uns unten ein lauschiges Plätzchen, wenn wir diese Moorjäger verscheucht haben. Dann reden wir weiter.«
Talin nickte und gab ihm noch mal einen Kuss, dann erhob sie sich vorsichtig und hangelte sich eine Etage nach oben, um sich umzusehen.
Ihr Baum befand sich etwa auf halbem Weg zwischen dem als Ziel anvisierten Felsen und dem Tempel, der nur noch ganz klein in der Ferne zu erkennen war. Das Morgenlicht leuchtete kräftiger und die Sonne erhob sich allmählich über die Nebelschwaden, die auch durchscheinender wurden. Wie zarte Vorhänge rissen sie allmählich auseinander und offenbarten Talin ein Netz aus schmalen Wegen und dunklen Flächen aus Moorwasser. Zwischendrin befanden sich immer wieder kleine Wiesenstücke, auf denen es gelb und hellblau blühte. Talin gab sich nicht der Illusion hin, dass diese Wiesen aus festem Untergrund bestünden.
Sie entdeckte einige auffallend große Moorhühner mit gesprenkeltem Gefieder, die eifrig zwischen den Wiesenblumen herumpickten.
Über ihr kreiste ein riesiger, dunkelbraun gemusterter Raubvogel. Anstelle der deutlich kleineren Füchse und Hühner wäre sie in Deckung gegangen. Als hätte er ihre Gedanken gehört, stieß der Raubvogel einen hellen Schrei aus, legte die Flügel an den kraftvollen Leib und schoss auf den Boden zu. Für eines der Moorhühner, die bereits bei dem Schrei auseinandergestoben waren, kam der halbherzige Fluchtversuch zu spät. Als sich der Raubvogel mit seiner Beute wieder erhob und in Richtung des Felsens davonflog, erkannte Talin, wie immens groß dieses Tier sein musste. Das erlegte Huhn war zwischen den gewaltigen Greifern beinahe nicht zu sehen.
Ihr Blick wanderte weiter prüfend über das Gelände bis zu dem Punkt, von welchem aus sie gestern Abend geflohen waren.
Menschen konnte sie nicht erkennen, weder im Moor noch am Zaun. Ließen die Celesten sie einfach ziehen? Weshalb?
Weil von uns keine Gefahr ausgeht, war Talins Folgerung.
Wenn wir fliehen, gibt es nur das Moor oder den Weg zu Than. Sie haben nichts zu verlieren, dachte sie ein wenig ärgerlich. Sie warten einfach ab, bis wir reumütig zurückkehren und dann geben sie uns an Than weiter.
Sie teilte ihre Beobachtungen und Gedanken Naim mit, der nickte, während er den Ast, der bis auf einen Zentimeter durchgesägt war, zu biegen begann. Das Holz brach und er betrachtete das Ergebnis kritisch. Dann begann er die Bruchstelle zu spitzen und gab seine Meinung zurück.
»Sie vergessen nur, dass du und ich nicht wie die Shades sind. Wir sind nicht auf der Suche nach dem Rückweg zu unseren Familien. Du vermisst vielleicht deinen Airballoon und deine Kollegen.«
Talins ehemaligen Liebhaber Kerdan erwähnte er nicht. Doch ein misstrauischer Blick streifte sie und Talin war unsinnigerweise glücklich über seine Eifersucht.
»Du vermisst deine Familie nicht?« , fragte sie verwundert und er verzog den Mund abwägend.
»Wenn ich sie irgendwann wiedersehe, reicht es mir auch. Es ist nichts gegen das Gefühl, mit dir hier zu sein. Auch wenn der Sandstrand angenehmer wäre, ohne jede Frage.«
Talin runzelte die Stirn. Dass Naim kein Familienmensch war, bedeutete für sie keinerlei Überraschung. Dennoch hatte er ihn liebende Eltern, oder nicht? Aber sie ließ diese Frage unausgesprochen, wohingegen er seine Gedanken weiter ausführte.
»Darum unterschätzen die Celesten uns, Talin. Sie wissen, dass wir Kämpfer sind, aber dass wir auch eine Zeitlang einfach hier überleben können, ohne den Rückweg zu suchen, darauf kommen sie nicht.«
»Wir werden vielleicht nicht den Rückweg suchen, Naim, aber ich kann nicht zulassen, dass sie weitere Shades in diese Hölle schicken.«
»Das wird ihnen nicht mehr ganz so leicht fallen, denn die Shades werden sich weigern. Sie sind gezwungen, Gewalt anzuwenden und das liegt nicht in ihrer Wesensart.«
Talin wurde nachdenklich.
»Wir müssen einen Weg finden, die Celesten davon zu überzeugen, dass Opfer an Than nicht notwendig sind.«
»Dann kommt der gute Mann aber vermutlich zu Besuch und bringt ihnen bei, dass es doch nötig ist.«
Sie sahen sich an, Naim ein wenig spöttisch, Talin eher nachdenklich. Sie war es auch, die zuerst sprach.
»Wir suchen uns hier eine Basis und bereiten uns auf einen Kampf vor.«
Er hob die Schultern und meinte leichthin mit blitzenden Augen:
»War mir klar, dass es nicht lange dauert, bis dir langweilig wird. Dann sollten wir zusehen, dass wir Verbündete bekommen. Aber vorher möchte ich gerne noch ein weiches Bett aus Moos oder was auch immer. Wir beiden Hübschen haben noch ein Date offen.«
Talin lachte und blickte hinüber zum Felsen, dessen gerade aufragende Wand nun soeben von der Sonne angeleuchtet wurde. Ein Bild für Götter!
Sie kletterte hinter Naim her nach unten und die Füchse sahen ihnen knurrend mit gefletschtem Gebiss entgegen. Naim packte den Spieß fester und knurrte ebenso:
»Zuallererst machen wir uns hier mal bekannt, damit die Füchslein wissen, dass sie ein wenig Abstand halten sollten.«
Mit einem Satz sprang er auf die Erde und hieb im gleichen Augenblick auf das Rudeltier ein, das sich zum Sprung bereit gemacht hatte. Ein hohes Jaulen war das Ergebnis und nach ein, zwei weiteren entschlossenen Schlägen verschwanden die Füchse in eiliger Hast in den umliegenden Büschen.
»Du kannst runterkommen, Prinzessin«, spöttelte Naim und hob gespielt demütig eine helfende Hand.
Talin ignorierte die Hand und landete lässig abfedernd neben ihm.
»Prinzessin?«
Wegen ihres zornigen Blicks hielt Naim vorsichtshalber den Stab vor seinen Körper. Dann hob er ergeben die Hände und bot an:
»Na gut, ich schnitze dir auch einen Stock, Prinzessin.«
»Das will ich hoffen. Und er sollte besser länger sein als deiner«, grinste sie ihn an und ihre grauen Augen blitzten vergnügt.
Der Fürstensohn dachte einmal wieder, dass er lieber mit ihr hier in diesem Moor war als irgendwo anders ohne diese ganz besondere Frau.

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Eure Ainoah

 

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