Wie wählen Autoren ihr Buchthema?
Nach Lust und Laune oder Wertigkeit in der Gesellschaft? Wie rezensiere ich selbst und wie gerecht empfinde ich Rezensionen?
Am Freitag nahm ich an einer Wanderung am Simssee im Chiemgau teil. Über zwei Stunden folgten wir der Geschichte in Zeiten der Pest mit Hinweisen auf Nicole Steyers Buch »Das Pestkind«, in dem die hiesige Autorin das Thema in einem Roman darstellt. Spannend und nach Meinung der Führerin oft laut Aufzeichnungen nah an der Realität. Wir spazierten auf sonnigen Wegen bis hinein in einen Wald zum Pestkreuz und fühlten uns bei dem Gedanken auf Massengräbern, verborgen unter dem auffallend hügeligen Waldboden, zu stehen, nicht ganz wohl.
Da meine Wander- und Arbeitskollegen immer wieder Hinweise an mich richteten, wie »Der Selbstmord, da könntest du doch eine Geschichte darüber schreiben.« oder »Das geheimnisvolle kleine Kreuz, hineingedrückt in den frischen Mörtel der Kapelle – wäre das nicht eine Idee für einen Krimi?«, wurde mir wieder bewusst, dass Liebes- und Fantasyromanautoren in unserer Gesellschaft bei Weitem nicht die Wertigkeit besitzen wie ein Autor, der über reale Dinge, vorzugsweise Grausiges oder Dramatisches schreibt.
Einige werden dennoch berühmt, lösen regelrechte Hypes und Massenproduktionen für Fanartikel aus. Andere sind irgendwann einmal im Abspann eines Films erwähnt »Filmidee beruht auf dem Roman von …«, aber der Großteil von uns hat sich an das gelegentlich herablassende Lächeln gewöhnt, das regelmäßig auf den Gesichtern der Menschen erscheint, denen unser Genre so gar nicht zusagt. Von anderen erhält man neben den üblichen Fragen nach der Herkunft der Idee und der Zeit der Verwirklichung glücklicherweise staunendes, bauchpinselndes Lob und Ermunterung. Der Hauptteil meiner Leser liebt an meinen Büchern den Lesefluss, der Entspannung verheißt. Sie gehören meiner Ansicht nach zu den »Viellesern«, die leider selten Zeit für eine Rezension erübrigen können.
Wie rezensiere ich selbst?
Ich lese E-Books und gedruckte Bücher etwa in einer 50/50 Gewichtung. Auf keinen Fall rezensiere ich direkt nach dem Lesen, da Rezis via Kindle schreibfehlergefährdet sind. Auch fehlt mir meist die Zeit dazu, wenn ich meinen Computer einschalte. Aber nach einigen Wochen packe ich es an – schließlich kann ich nicht über rezifaule Leser jammern und selbst den gleichen bequemen Weg gehen. In einem Rutsch rezensiere ich dann die Bücher, die mir besonders aufgefallen sind und/oder wenig Rezensionen erhalten haben. Wo schon 500 Meinungen existieren, ist meine sicher verzichtbar. Ein Buch einer Kollegin/eines Kollegen niederzumachen geht für mich als Autorin gar nicht, Lob und konstruktive Kritik sind gefragt. Missfällt mir ein Buch als Ganzes, lasse ich die Finger davon. Da gibt es ja meist jemanden, der das übernimmt, da viele Menschen über ein ausgeprägtes Mecker-Gen verfügen – auch hier kann ich mich allerdings nicht beschweren. Ich bin mit meinen bisherigen Rezensionen abgesehen von der Anzahl sehr glücklich.
Auf einen Kritikpunkt bei »Jolene« und »Erin« möchte ich hier eingehen - nur um für Verständnis zu werben: »Die Hauptperson weint ein bisschen viel«.
Auch wenn die Handlung in anderen Ländern spielt, tragen die Hauptpersonen einige meiner Charakterzüge und haben in Erins Fall eine schlimme Zeit meines Lebens nachgezeichnet.
Sollte mich eine solche Rezi jetzt nicht verletzen, wenn gewissermaßen ich selbst als weinerlich empfunden werde? Im ersten Moment hat es das zugegebenermaßen. Aber ich weiß, dass man solche Zeiten nicht nachempfinden kann, wenn man nicht Ähnliches durchstehen musste, was ich niemandem wünsche. Über ein Jahr tagtäglich mit dem möglichen Tod eines Kindes konfrontiert zu sein, lässt Nervenstränge nun mal ausdünnen, und mir genügte damals eine freundliche Nachfrage in der Bäckerei, um in Tränen auszubrechen.
Zudem habe ich das Rühseligkeits-Gen geerbt. Schon meine Oma - eine knallharte Geschäftsfrau - hatte immer Tränen in den Augen, wenn ihre Enkelkinder abreisten.
Macht euch in der Leseprobe doch ein Bild davon, ich freue mich über eure Meinungen hier oder bei Amazon.
Leseprobe aus »Erin«
Das glatte braune Haar glänzte wie Samt, als sich die junge Frau besorgt vorbeugte und die Hand auf die heiße Stirn ihres kleinen Sohnes legte. Diesmal vertrug Teddy die Chemotherapie nicht so gut, es hieß Geduld haben und die beinahe aufgelösten Nerven beruhigen.»Es wird schon gut gehen, lass uns nicht im Stich«, beschwor sie irgendjemanden da draußen, an den sie eigentlich schon seit Langem nicht mehr glaubte. Teddy lag nun seit Stunden reglos da, keine Augenbewegung unter den Lidern war zu erkennen und Erin wurde langsam nervös.
In diesem Moment klopfte es leise und die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich, ohne dass auf ein »Herein« gewartet worden war. Ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihrem viel zu schmalen Gesicht, als Erin die Besucherin erkannte: Jolene, ihre beste Freundin seit Kindheit an, trat an das Krankenbett, blickte kurz besorgt zu Teddy hinunter, dann umarmte sie Erin, die sich erhoben hatte, und ließ sie einen ganzen Moment lang auch nicht wieder los.
»Er ist immer noch nicht wieder wach?«, fragte sie sanft und Erin spürte erschöpft, dass sich die Tränen hinter ihren Augenlidern sammelten, als sie den Kopf schüttelte.
»Seit heute Vormittag war er nicht mehr wach, Jo. Die Ärzte sagen, es ist in diesem Stadium normal, weil ihn jede Chemo ein Stückchen mehr auslaugt.«
Sie schluckte schwer, bevor sie verzweifelt hervorstieß:
»Ich weiß nicht, wie lange er das noch durchhalten kann, Jo. Am liebsten würde ich ihn aus dieser Studie nehmen, bevor er zu geschwächt ist. Was soll ich nur machen?«
Nun begann sie doch zu weinen, obwohl sie so sehr dagegen angekämpft hatte. Die Freundin hielt sie einfach fest und murmelte nur: »Er schafft es, Erin. Teddy packt das.«
Erins schmaler Körper wurde von Schluchzern geschüttelt und Jolene dachte erschüttert, wie dünn sie in den letzten Wochen geworden war. Erin war schon immer der schmale Typ gewesen und die Gene, rundlich zu werden, waren in ihren Erbanlagen garantiert nicht vorhanden.
Aber seit der fünfjährige Teddy vor etwa einem halben Jahr an akuter lymphatischer Leukämie erkrankt war, hatte sie stets erst wieder ausreichend gegessen, wenn der Junge sich von einem Chemo-Block erholt hatte und selbst wieder guten Appetit zeigte. Teddys Reaktion dauerte diesmal deutlich länger als die Male zuvor und Erin brachte jeden Tag weniger Bissen hinunter.
Jolene dachte, dass sie nun miterlebte, was es bedeutet, wenn man sagt: Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Die junge Mutter kam auch seit über einer Woche nicht mehr aus dem Krankenhaus heraus. Ihre Arbeit in der Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie hatte sie momentan eingestellt, obwohl sie das Geld dringend benötigte, um die Medikamentenrechnungen bezahlen zu können. Aber sie konnte ihren Sohn nicht allein in seinem Bett liegen lassen, selbst wenn er sie momentan nicht wahrzunehmen schien.
Jolene, deren zukünftige Schwiegermutter Rosie, die sich auch um Erin wie eine Mutter kümmerte, und deren Tochter Magnolia wären jederzeit zur Ablösung bereit gewesen, aber Erin konnte Teddy einfach nicht verlassen. Zu groß war die Angst, dass etwas Furchtbares geschehen könnte, wenn sie gerade nicht anwesend wäre.
Jolene streichelte beruhigend über den Rücken der Freundin und ihr Blick wanderte zu dem zweiten Besucher, den Erin noch nicht wahrgenommen hatte, denn sonst hätte sie ganz sicher länger darum gekämpft, ihre Tränen zu unterdrücken.
Josh Sinclair, Jolenes Exmann, erwiderte den besorgten Blick aus seinen dicht bewimperten, grünblauen Augen.
Er war zugleich auch ihr bester Freund, obwohl ihre Ehe gescheitert war, denn Jolene hatte nie aufgehört, ihren ersten Freund Raine zu lieben. Jolene und Raine hatten sich endlich wiedergefunden und waren mittlerweile verlobt und was Josh anging: Seit der gutaussehende Ire Erin kennengelernt hatte, schien er seine Trauer über Jolenes Verlust langsam zu überwinden. Die dunkelhaarige, zarte Schönheit, die ihr Leben als alleinerziehende Mutter trotz dieses Schicksalsschlags so tapfer meisterte, versetzte seine Gefühlswelt in Aufruhr. Als er sich jetzt räusperte, um sich bemerkbar zu machen, schoss Erins Kopf hoch und er blickte in entsetzte, gerötete schmale Augen, die ansonsten in tiefem Dunkelblau meist humorvoll in die Welt strahlten.
Erin suchte hektisch nach einem Taschentuch und Jolene zog eines aus ihrer Jackentasche und reichte es ihr.
»Ist neu, auch wenn es nicht so aussieht, und es war noch nicht im Stall«, witzelte die Besitzerin der Double-J-Ranch und Erin grinste unwillkürlich, wobei sich die blasse Haut mit den zarten Sommersprossen über ihre hohen Wangenknochen spannte. Bevor sich das Grinsen in ein Lächeln verwandeln konnte, fiel es wieder in sich zusammen und Erin begrüßte den Mann, der ihre Gedanken in den letzten Wochen viel zu sehr in Anspruch genommen hatte. Josh war ein schöner Mann, aber vor allem war er ein freundlicher, besonnener und hilfsbereiter Mensch, der Erin in dieser schlimmen Zeit oft zum Lächeln verleitet hatte.
»Josh, wie schön, dass du mitgekommen bist. Entschuldige bitte meinen Ausbruch.«
Josh schüttelte ungläubig den Kopf, als er ihre Worte vernahm, da er unter einem Ausbruch etwas ganz anderes verstand, schließlich war er mit einem Temperamentsbündel verheiratet gewesen. Aber darüber zu diskutieren oder Erin damit aufzuziehen, war gerade nicht passend, also antwortete er ruhig:
»Du hast jedes Recht darauf, einmal weinen zu dürfen, Erin. Du hältst dich großartig.«
Sein Blick fiel hilfesuchend auf Jolene, die die um einen halben Kopf kleinere Erin an den Schultern packte und sie entschlossen ansah.
»Es ist noch etwa eine Stunde hell. Du gehst jetzt ein halbes Stündchen mit Josh spazieren und isst eine Kleinigkeit.«
Sie hob mahnend den Finger, als sie den Widerspruch in Erins Miene las.
»Nein, nein, Erin, keine Widerrede. Du nimmst dein Handy mit und ich rufe dich noch in der gleichen Nanosekunde an, in der Teddy sich bewegt, versprochen. Liebes, du musst etwas essen und du brauchst frische Luft. Du gehst hier drin irgendwann hops.
Teddy will dich doch fröhlich und wach haben, wenn er sich durch diese Runde gekämpft hat.«
Erin schluckte schwer und ihr Kopf sank nach unten. Sie wollte bei ihrem Kind bleiben, wusste aber auch, dass Jolene die Wahrheit sprach. Sie war kurz davor durchzudrehen.
»Gebt mir fünf Minuten im Bad, ja?«, bat sie leise und die beiden nickten verständnisvoll.
So ist die Realtität!
Und was die Wahl zukünftiger Buchthemen angeht - never say never - aber vorerst bleibe ich bei meinen Genres, denn sie bereiten mir Freude und euch hoffentlich auch.
Ich wünsche euch morgen einen gemütlichen Feiertag.
Eure Katie