Jeden Samstag finde ich die Zeit zum Reiten.
Leider nur noch einmal pro Woche (denn sonst komme ich nicht zum Schreiben). Aber diese Stunden lassen mich tiefer durchatmen als jede andere Gelegenheit.
Ein typischer Samstagvormittagablauf bei mir: gemütliches Frühstück mit Mann und gelegentlich anwesenden (erwachsenen) Kindern, dann ab in die Reitklamotten und mit dem Rad in den Stall.
Eine gute halbe Stunde später liegt nach der liebevollen Grundreinigung von Schimmelstute Kira ein Teppich aus weißem Prinzessinenpferd-Haar am Boden. Dann geht es ziemlich schnell ab in den Sattel und dahin, wo Reiten am schönsten ist - in die Natur.
Wir sind ziemlich früh dran - Kira und ich - was uns immer besondere Eindrücke beschert. Und wenn ich uns schreibe, meine ich das auch.
Pferde sind grundsätzlich unglaublich neugierig und Kira toppt sie alle. Sie bleibt stehen und guckt und guckt und guckt mit hoch aufgestellten Ohren.
Kira und ich erklimmen den Berg in Richtung Dorfbadesee und sehen auf der Wiese 18! weiße Reiher, dahinter Wiesen, Wälder und die Alpen. Was für ein Bild. Leider sind die Reiher auf den Handyfotos so klein, dass man sie nicht sieht. Hiermit möchte ich mich auch für die Unschärfe auf diesem Foto entschuldigen. Jeder Reiter weiß, dass hier eine absolut ruhige Hand unmöglich ist, trotz eines braven Pferdes.
Warum ich es euch zeige?
Weil es so ein besonderer Moment ist, dessen Einsamkeit ich genieße und den ich trotzdem am liebsten mit allen Menschen teilen möchte: Die frische Morgenluft, der Frühling, den man überall hört und sieht und riecht, das gut gelaunte Pferd und die Reiher auf der noch taunassen Wiese.
Natürlich gebe ich für diese Erlebnisse ein kulturelles Stadtleben auf, aber das tut mir selten weh, denn München ist ja nicht weit, wenn mich die Sehnsucht plagt.
Der Ritt wird übrigens gelegentlich spannend, denn wenn Kira ohne Pferdekollegen unterwegs ist, findet sie nicht nur Interessantes auf unserem Weg, sondern immer wieder Horrorerscheinungen: Eine Kuh, die ein bisschen zu kritisch zu uns herüberblickt, eine Silofolie im Wind, ein böser, böser Hochspannungsmast und dann der Abfall.
Liebe Besucher eines großen Junkfood-Herstellers in 10 Kilometer Entfernung: Jetzt habt ihr euren Müll schon so weit gefahren, da wären doch die paar Meter bis nach Hause zum Recyclen auch noch drin gewesen, oder? Abgesehen von diesem Umstand, bei dem ich vor Wut einen roten Kopf bekomme, sieht Kira genau, ob die Tüte letzte Woche da auch schon lag oder ob wir lieber zur Seite hüpfen, um einer Gefährdung zu entgehen.
Neben der klaren Luft und der schönen Gegend besitzt das Reiten noch zwei weitere Pluspunkte für mich persönlich: Das hervorragende Training der strapazierten Rückenmuskulatur einer Autorin und die Ideen, die mir in diesen zwei Stunden zufliegen.
Die vielen Fliegen, die ich mit dieser einen Klappe schlagen kann, findet ihr auch in "Erin" - Band II der Dawsons, meiner Colorado-Reihe. An alle Nichtreiter: Keine Angst, Pferde bestimmen das Umfeld auf einer Ranch, sind aber nicht die Hauptpersonen und auch nicht handlungsbestimmend.
Leseprobe aus »Erin« (Erins erster Ausritt im sagenumwobenen, verträumten Irland):
»Das ist der Dooney, der dort hinten den Weiher wieder verlässt und dann in etwa dreißig Kilometern den Atlantik erreicht. Ein kleines Nichts, das sich in der endlose Weite verliert.«
Wir ritten schweigend hinunter und über die Brücke auf die andere Seite, wo wir hintereinander einem schmalen Weg auf eine Lichtung folgten. In der Mitte der Lichtung stand ein großer Stein, der aussah wie ein Hinkelstein aus einem Asterix-Comic.
Josh spielte wieder den Fremdenführer.
»Dies war einmal ein Steinkreis, aber die anderen Steine wurden aus irgendeinem Grund entfernt, die Fachleute konnten es nur anhand der Vertiefungen feststellen. Und dort drüben siehst du etwas, was es nur in Irland gibt, Erin.«
Mein Blick folgte seiner Hand und ich bemerkte am Rande der Sträucher eine seltsame Ballung von Steinen und kleinen blühenden Büschen. Es wirkte, als hätte jemand von unten einen Wall hochgeschoben.
»Warum wurde es so gepflanzt, Josh? Und warum ist die Erde dort so erhöht?«
»Das wurde nicht von Menschenhand geschaffen, Erin, das ist ein Feenkreis: Ein Anzeichen, dass unter dieser seltsamen Sammlung von Pflanzen und Steinen Feen und auch Kobolde leben.«
Ich starrte ihn an und wartete darauf, dass er sich über mich lustig machte, aber sein Blick war verträumt.
»Du glaubst daran, Josh?«, fragte ich ein wenig fassungslos und er lächelte entschuldigend.
»Ich bin Ire, der Glaube an diese kleinen Völkchen wurde uns bereits mit der Muttermilch eingetrichtert. Oder bei mir irgendwie anders, denn meine Mutter hat mich sicher weder gestillt noch glaubt sie an Feen.«
Ich grinste, denn ich konnte mir Maryam wirklich weder bei diesem Feenkreis noch mit einem Baby an der Brust vorstellen. Genau genommen konnte ich sie mir überhaupt nicht als Mutter vorstellen, was mir für Josh wieder sehr leid tat.
Ich beugte mich aus dem Sattel zu ihm hinüber und schlang meinen Arm um seinen Hals, um ihn besser küssen zu können.
»Ich glaube, dass eine Fee dich als Kind nachts besucht und dir ihre Geschichten erzählt hat, weil sie wusste, dass es deine Mutter nicht tut. Ich liebe dich, Josh, auch dafür, dass du ein Mann mit Träumen bist.«
Seine blauen Augen wurden tiefdunkel, als er mich weiter zu sich hinüberzog. Kurz bevor ich aus dem Sattel rutschte, ließ er mich wieder los und räusperte sich. Er fuhr sich durch das dunkle Haar, das sich durch die Feuchtigkeit etwas stärker ringelte als sonst. Dann schien er energisch die seltsam melancholische Stimmung vertreiben zu wollen und meinte lächelnd:
»Wir reiten einen anderen Weg zurück, Liebling. Nach dem Wald geht es auf eine Anhöhe hinauf und an deren Flanke gibt es einen sehr langen Wiesenweg, auf dem wir die Pferde mal rennen lassen können.«
Ich folgte ihm wieder durch diesen seltsamen Wald und versuchte, mich wieder auf mein Pferd zu konzentrieren, was mir in meinem verträumt-verliebten Zustand schwerfiel.
Jesabel war wirklich schön zu reiten und schien auch verlässlich zu sein. Mal sehen, wie es um ihr Lauftempo stand. Ich musste mir keine Gedanken machen: Sie ließ sich gut halten, aber ich merkte ihr schon im Schritt an, dass sie wusste, was diese Strecke für sie bedeutete. Ihr Schritt wurde schneller, sie begann ein wenig zu tänzeln und ich warf einen kurzen Blick auf Josh.
»Irgendetwas, was ich über den Weg wissen sollte, bevor ich dich abhänge?«
»Ich würde ja sagen, träum weiter, aber ich kenne euch beide gut genug. Rasende Frauenzimmer! Ich habe keine Chance, wenn es ums Tempo geht.
Nein, der Weg geht bestimmt zwei Kilometer so dahin, du siehst rechtzeitig, wenn er zu Ende ist, und Jesabel kennt ihn gut. Keine Stolperfallen, keine Hindernisse. Gib Gas, wie du magst, Erin.«
Ich lachte hell auf, weil er mich so gut kannte, dann stellte ich mich in die Bügel in den leichten Sitz der Geländereiter und ließ die Zügel behutsam durch die Finger gleiten. Jesabel hatte genau den Abzug, den ich von ihr erwartet hatte, sonst wäre ich vermutlich nach hinten geplumpst. So aber waren wir eins, als wir über den Grasweg dahinschossen, mir der Wind Tränen in die Augen trieb und Jesabels Flanken unter meinen Beinen zitterten.
Ich hörte die dumpfen Hufschläge von Joshs schwererem Tier anfangs noch hinter mir, aber als ich mich kurz umsah, war er bereits viele Meter zurückgefallen. Dann erkannte ich nach viel zu kurzer Zeit das Ende dieser Rennstrecke und parierte vorsichtig zum Schritt durch. Joshs heftig schnaufender Wallach war bald neben uns angekommen und mein Liebster sah mich lachend an. In seinen Augen blitzte der Schalk und ich fragte etwas außer Atem: »Warum lachst du?«
»Ihr seid ein Bild für Götter: du mit deinen wehenden Haaren auf diesem Rennpferd. Wahnsinn.«
»Jesabel ist wirklich ein klasse Pferd. Ist sie wirklich nur ein Freizeitpferd?«
Josh grinste durchtrieben.
»Nein, nicht ganz. Ehrlich gesagt, hast du gerade eine Derby-Gewinnerin geritten, Erin. Das ist zwar schon fünf Jahre her, aber sie hat es noch drauf, oder?«
Ich war sprachlos. Wow, so ein berühmtes Pferd. Und welch Vertrauen er in mich hatte, dass ich sie über Stock und Stein reiten durfte. Ich war richtiggehend gerührt und Josh zwinkerte mir zu.
»Hab ich wieder ein Steinchen mehr im Brett bei dir?«
Josh, der Flirter, war wieder erwacht und ich warf ihm ein Kusshand zu.
»Als wenn du es nötig hättest, du tollster aller Männer. Mein Brett ist inzwischen nichts anderes als eine Steinplatte.«
Er nickte, machte eine galant diensteifrige Handbewegung und ich musste lachen. So scherzten wir auf dem Weg nach Hause, den Blick für die Landschaft hatten wir allerdings verloren, denn unsere Blicke waren nur aufeinander gerichtet.«
Ich wünsche euch allen einen traumhaften Frühling,
Katie
P.S. Dass Raubvögel bei meinen Ausritten über mir kreisen, ist ein normales Bild, aber neulich war es ein Storch - das ist schon etwas Besonderes.
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