Ich bin ein Tor-Freak! Was das ist?
Nun, ich gehöre zu den Menschen, die ein Tor sehen, und die Fantasie spielt verrückt.
Geht ein paar Schritte mit mir, versteht meine Gedankengänge und erkennt die Möglichkeiten, die ich nutze, Geschichten zu erfinden.
Nehmen wir als erstes Beispiel das Tor rechts.
Ah, bella Venezia, eine Stadt zuweilen morbider Träume und dementsprechend verfasster Erzählungen. Ich persönlich habe Venedig immer nur bei traumhaften Wetter erlebt. Meine Fantasie lässt mich hier also eher eine süße Liebesgeschichte hinter dieser "Porta" erfinden. Eine andere Variante fällt ebenfalls nicht schwer: Die Hauptperson entdeckt beim Eintritt einen Mord und der Mörder ist noch im Haus. Es entwickelt sich ein Katz- und Mausspiel in dunklen Gängen mit vermoderten Teppichen und fadenscheinigen Vorhängen.
Ideen entwickeln geht ganz schnell - Ladehemmung hat meine Fantasie selten, schon gar nicht, wenn Tore in der Nähe sind. Venedig habe ich schon des Öfteren besucht – von Land aus, aber auch per Yacht vom Wasser aus, was völlig andere Blickwinkel garantiert, schon allein bei der Anreise durch die Lagune.
Eine weitere Idee, die ich vielleicht in ferner Zukunft aufgreifen sollte: Die Nonna (Großmutter) wartet auf die Enkelin, die nach der Uni zum Essen kommen wollte. Aber sie taucht nicht auf. Der junge Nachbar wird mit der Suche beauftragt und findet einen Hinweis, der ihn per Vaporetto (Wassertaxi) quer durch die Stadt befördert. Er tritt durch das Tor, das ihm in einer dunklen Gasse als richtige Adresse zugeraunt wurde, und ihn überfällt das Grauen ...
Na, wie klingt das? Das löst bei mir allein der Anblick des Tores aus!
Oder diese malerische Tür hier links: Könnte sie der Nebeneingang zu einer herrschaftlichen Villa sein, in welcher ein junger Mann heranwächst, der einst besondere Kräfte haben wird?
Wer bevorzugt eine Liebesgeschichte? Dann eben so: Die Tochter des Grafen öffnet einem Reisenden im vorvorletzten Jahrhundert das Tor und gewährt ihm Unterschlupf vor dem Unwetter in einer Sonnwendnacht. Doch der Wanderer ist aus einer anderen Welt (oder auch einfach nur auf der Flucht vor der Mafia).
Es ist unglaublich inspirierend, wenn man auf bestimmte Auslöser mit einem Ideenschub reagiert. Nur nicht unbedingt für die Familie: "Mama, wo bleibst du? Wir wollen endlich zum Baden" oder "Schatz, stell dich ein bisschen nach rechts, da wirkt das Foto besser." Seufz. "Ja, ich komme schon, ich hatte nur gerade so eine tolle Idee."
Mein ebenfalls künstlerisch tätiger Mann ist dafür eher der Wege-Freak und sieht da allerdings keine Geschichten, sondern Motive, Motive, Motive.
Und so kommt es, dass auch in der Romantasy-Welt, in der ich derzeit unterwegs bin und meine Ideen einbringe, gleich zwei Tore ein große Rolle spielen.
Doch gebt acht: Dem Eindruck des Guten und Bösen, den diese Tore auf den ersten Blick vermitteln, darf man nicht trauen. Das falsche Tor in »Beretar« zu betreten, kann tödlich enden.
Zwischen Naim und Talin knistert es zunehmend, aber jede Ablenkung wäre gefährlich. Die Celesten lassen sie nicht aus den Augen (noch unlektorierter, möglicherweise nicht ganz fehlerloser Auszug).
»Du bist nicht sehr gut für mein Selbstbewusstsein, Talin. Und warst es auch noch nie, wenn ich genau darüber nachdenke.«
Sie lächelte ihn mit etwas zu vielen weißen Zähnen an, als dass er es als ehrlich empfunden hätte und ignorierte ihr Grinsen. Trotz des spöttischen Grundtons ihrer »Beziehung« fühlte er eine stetig wachsende Zärtlichkeit ihr gegenüber, die ihm Angst einjagte.
So antwortete er mit brutaler Offenheit, um sie wie gewohnt zu provozieren. Irgendwann würden seine Spitzen treffen und sie zu einer Unvorsichtigkeit verleiten. Käme sie ihm dann zu nahe, wäre er am Ziel seiner Träume.
»Sie denken vermutlich, dass ich ihnen im Wege bin, um eine Beziehung mit dir aufzubauen.«
Talin sah ihn mit geweiteten Augen an und schüttelte ungläubig den Kopf. Das dunkle Haar reichte ihr inzwischen bis über die Mitte des Rückens und eine lange Strähne rahmte das nicht mehr so ausgezehrt wirkende Gesicht liebevoll ein. Ihre Blässe war einer gesunden Gesichtsfarbe gewichen und die zartrosa Lippen waren immer häufiger zu einem Lächeln verzogen. Sie ist schöner denn je, dachte er bei sich, als er in ihren strahlenden grauen Augen versank. Kein Wunder, dass sie nicht nur auf ihn äußerst anziehend wirkte.
Zögernd hakte sie nach: »Ich täusche mich also nicht, dass ich das Gefühl habe, dass mich ständig eine anstarrt oder zu berühren versucht?«
Naim schüttelte grinsend den Kopf und Talin fluchte unterdrückt. Den nächsten Kommentar konnte er einfach nicht verbeißen.
»Du weißt, was diesem unangenehmen Verhalten sofort ein Ende bereiten würde?«
Talin sah ihn böse an und er begann zu lachen. Ja, natürlich verstand sie, was er meinte. Zwei der Celesten beobachteten sie und Naim konnte nicht widerstehen.
»Jetzt wäre die einmalige Gelegenheit, deinen Verehrerinnen deine heterosexuelle Veranlagung deutlich zu machen. Soll ich dich küssen?«
»Wir sind in einem Tempel, Naim.«
»Und der Weg nach draußen ist nicht weit, Liebste.«
Talin konnte nicht verhindern, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss, denn der Gedanke, den Naim in ihr Bewusstsein gepflanzt hatte, übte mehr denn je einen unheilvollen Reiz auf sie aus. Bereits auf Beretar war Naim wie eine verbotene Frucht in ihrem Garten Eden gewesen. Ein menschenverachtender Mann mit einem Hang zur Brutalität, der sie dennoch immer angezogen hatte. Dies hätte sie »unten« niemals zugegeben, aber es war die gefährliche Wahrheit.
Warum gefährlich?, fragte sie sich selbst. Was habe ich zu verlieren? Meine Heimat und meine Aufgabe habe ich bereits verloren und werde beides niemals zurückerhalten.
»Er ist nicht standhaft, er wird mich gebrauchen, um seinen Willen durchzusetzen wie bei einer Wette. Es geht nur um den Gewinn. Danach bin ich wertlos für ihn.«
Verbittert sprach sie ihre Gedanken aus und Naim erstarrte vor ihren Augen. Als Talin voller Überzeugung in seine dunklen Augen sah, erschrak sie über den Schmerz, den sie dort sah. Hatte sie sich geirrt?
Doch sie wagte es nicht, genauer nachzuforschen, und ließ ihn stehen, plötzlich voll des schlechten Gewissens. Ab diesem Moment konnte sie Naims Bild, wie er sie durch das Helle Tor und den Weg hier herauf getragen hatte, nicht mehr aus ihrem Kopf verdrängen.
Der gekränkte Mann ging ihr einige Zeit aus dem Weg, allerdings nicht so weit, dass sich die Celesten Talin zu nähern gewagt hätten – eine unbefriedigende Situation für Mann und Frau.
Eines Abends spazierten Talin und Naim nach dem Gebet um den Tempel und die Admiralin fragte ihren Begleiter stirnrunzelnd:»Riechst du das auch, Naim? Brennt es hier?«
Er hob mahnend die Hand und Talin schwieg erstaunt. Naim sah sich wachsam um, gab ihr ein Zeichen und sie folgte ihm mit geschmeidigen Schritten hinter das Buschwerk. Dann erstarrte sie.
Direkt vor ihr erhob sich der gleiche Zaun, der Neugierige vom Betreten der Moore abhielt. Auf der anderen Seite dieser Absperrung befand sich in der Ferne hinter der übel riechenden Wasserfläche eine felsige Erhebung. Mitten in diesem Felsblock loderten niedrige Flammen und Talin flüsterte erstickt:
»Die andere Seite des Dunklen Tores?«
Naim legte ihr den Finger auf die Lippen und sie hörten die Stimme Anrynns, die die Gruppe der Shades wieder für den Rückweg versammelte.
»Talin, Naim? Wo seid ihr? Wir müssen zurück.«
Sie ignorierten sie und Naim raunte Talin zu:
»Nein, es ist der Ausgang des Hellen Tores, Talin. Hier bin ich mit dir angekommen.«
Die Tore Beretars halten immer noch Überraschungen der guten oder bösen Art für die Rettung suchenden Menschen bereit.
Seht ihr die Türen und Tore auf eurem Weg demnächst mit anderen Augen?
Eure Ainoah
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